CD Kritik Progressive Newsletter Nr.80 (04/2014)

Dream The Electric Sleep - Heretics
(73:13, Privatpressung, 2014)

Die Zeiten haben sich geändert. Vermied man vor einigen Jahren das P-Wort wie der Teufel das Weihwasser, so ist es mehr und mehr zu einer positiven Werbebotschaft für Anhänger komplexer, anspruchsvoller Klänge geworden. Auch Dream The Electric Sleep titulieren ihren Stil ganz simpel als "Progressive Rock". Durchaus verständlich, denn ansonsten müsste man sich mit ellenlangen Umschreibungen begnügen, da die Band ganz munter aus allerlei Versatzstücken zwischen Alternative, Hard, Art und Progressive Rock die jeweiligen Stilmerkmale auswählt, diesen sehr stimmig, keineswegs zerrissen, dazu zeitgemäß präsentiert. Deswegen hat man es eben auch als Schreiberling etwas schwerer, diese Band einzuordnen (siehe der obige Versuch der Stilbeschreibung). Wer hier deutlich erkennbaren Progressive Rock im Stil der 70er erwartet, liegt komplett falsch. Vielmehr nutzen die Amerikaner diesen Begriff, um ihren zeitgemäßen Interpretationen - die zu großen Teilen offensichtlich rein gar nichts mit den 70ern zu tun hat - eine griffige Einordnung zu verpassen. Man mag es episch, verzichtet dabei auf jeglichen Keyboardbombast. Die Gitarren bestimmen das Klangbild, dennoch gehören atmosphärische Elemente ebenfalls zu den Trademarks. Die Rhythmik ist nicht von komplexen Wendungen durchzogen, andererseits sorgen die griffigen Takte für den echten Rockgroove, ohne jedoch nur alltägliche Sequenzfolgen zu bedienen. Aber auch mit Balladen oder direkter Rotzigkeit bedient man eine ganz Klientel. "Heretics" ist aber vielleicht gerade deshalb so interessant und vielschichtig geworden, weil die Band ganz bewusst ihren eigenen Weg geht und sich nicht um irgendwelche offensichtliche Erwartungshaltungen und die Bedienung gewisser progressiver Grundpfeiler schert. Bereits der Vorgänger "Lost and gone forever" erntete gute Kritiken, mit diesem Album sollte die Band aus Kentucky dies sicherlich ganz locker toppen.

Kristian Selm



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