CD Kritik Progressive Newsletter Nr.80 (04/2014)

Bram Stoker - Cold reading
(54:51, sunncreative, 2014)

Es ist doch immer wieder erstaunlich, dass man selbst in meinem fast methusalischem Alter überrascht werden kann. Da landet eine CD in meinem CD Player, die mich spätestens nach 2 Minuten völlig in den Bann gezogen hat. Damit müsste ich jetzt die Aufgabe der Besprechung an jemand anderen weitergeben, da ich ja nicht mehr vorurteilsfrei bewerten kann. Aber der Chef und einer seiner Assistenten aus meiner Nachbarschaft, hatten keine Gnade und gaben mir die Besprechung nicht aus der Hand. Obwohl ich viel lese, sagte mir der Name der Band nichts. Meine Recherchen ergaben, dass Bram Stoker ein irischer Schriftsteller war, der durch seinen Roman Dracula zu Weltruhm gelangte. Seit 1987 verleihen amerikanische Horrorschriftsteller jährlich den Bram Stoker Award. Steven King ist der wohl bekannteste Preisträger. Dadurch, dass dieser Name so berühmt durchsetzt ist, war es gar nicht so leicht, im Internet etwas über die Musikgruppe Bram Stoker zu erfahren. Damit der geneigte Leser nicht so lange suchen muss, gebe ich gerne den URL durch. Unter bramstokermusic.com gelangt man auf die Webseite. Und jetzt schmiss es mich völlig um. Diese Band wurde 1969 durch den Keyboarder Tony Bronsdon gegründet. Ein Original-Mitglied aus den 70ern ist auch noch dabei. Tony Lowe ist Bassist und Gitarrist der Band. Dieser ist unter uns Proggies ja kein Unbekannter. Bei Simon Townshend ist er aktiv und spielte auch bei den Pet Shop Boys Gitarre. Als Produzent wurde er auch schon auffällig. Auf diesem Output ist er ebenso als Produzent zuständig. Komplettiert wird das Trio durch den Sänger und Schlagzeuger Will Hack. Allerdings wurde der letzte Longplayer 1972 veröffentlicht. Warum bringt man nach 42 Jahren eine neue CD unter demselben Namen raus? Sehr berühmt waren sie ja nicht, auch wenn sich illustre Namen in der Bio befinden. Queen waren wohl mal Vorgruppe von Bram Stoker, in den frühen 70ern! Komme ich nun zur CD. Mich erstaunen die superschnellen Keyboardläufe. Ich dachte am Anfang, hier werkelt kein Geringerer als Rick Wakeman. Die Stimme ist sehr harmonisch und tut niemals weh. Dies ist vielleicht auch das einzige Manko. Ab und an klingen Bram Stoker wie Alan Parsons Project in ihren Popsongs. Was ja nun nicht die schlechteste Kritik bedeutet. Allerdings überwiegen Klänge, die an E.L.P., Camel und Genesis erinnern. Ich schrecke immer zusammen, wenn diese Namen als artverwandt angegeben werden. Diesmal kann ich es leider auch nicht besser machen. Allerdings gebe ich zu bedenken, dass die Band auch aus dieser Zeit stammt. "Fast decay" und "Fingal`s cave" wurden neu eingespielt, dazu kommen 8 andere Songs. Die 2 Neueinspielungen befinden sich im Original auf der LP "Heavy rock spectacular" von 1972. Die Arrangements sind alle sehr harmonisch (für Proggies). Auf der Homepage kann man sich Anregungen holen. Allerdings bin ich mir sicher, wer diese Art Musik mag, wird wahrscheinlich genauso geflasht sein wie ich es war. Gut, dass nach 42 Jahren 2 Gruppenmitglieder auf die Idee gekommen sind, abermals Musik unter dem Namen Bram Stoker zu machen. Bram Stoker: diesen Namen sollte man sich merken. Diese CD ist ein Vampirbiss in die Halsschlagader eines jeden Proggies. (sorry, Leute, aber diese Phrase musste sein)

Klaus Bornemann



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