CD Kritik Progressive Newsletter Nr.7 (02/1996)

Livit - Unspoken
(46:45, WMMS, 1995)

Nach dem guten letzten Album von Ivanhoe, eine weitere Band aus Deutschland, die grob dem Prog Metal Bereich zuzuordnen ist. Was den Lokalstolz bei mir noch schwellen lässt, ist die Tatsache, dass diese Produktion, wie schon öfters bei WMMS, unweit meiner Behausung im Leonberger "Roxanne" Studio aufgenommen wurde. Geboten werden dreizehn Kompositionen mit Längen zwischen 0:47 und 8:10, wobei die kürzeren Stücke teilweise nur Überleitungen sind. Da alles nahtlos ineinander übergeht, kann man schon fast von einem Konzeptalbum sprechen. Man beginnt so, wie man es auch schon von anderen Veröffentlichungen kennt: Fußschritte und Vogelgezwitscher als Intro. Es setzen Keyboards ein, Akustikgitarrenparts dienen der Untermalung. Sehr ruhig und wunderbar melodisch, zu dem sich die E-Gitarre solistisch gesellt. Der nachfolgende Gesang hat zu Beginn leicht mediterranen Touch und beginnt mich auf Dauer etwas zu nerven. Doch dann ein nahtloser Übergang zu "Ancenstral legacy" und richtiger Prog Metal beginnt sich zu entfalten: aggressive Gitarren, schnelle Keyboardläufe, Tempoforcierung, jedoch noch mit hohem melodischen Anteil, trotz kleinerer Breaks und vorwärtstreibender Bassläufe. Im Verlauf des Stückes wird man etwas metallischer, findet jedoch immer wieder zum Melodischen zurück. Im kurzen Keyboardsolo dann etwas Parallelität zu Threshold. Der Gesang ist für mich hier immer noch der Minuspunkt, im Verlauf der CD wird er aber stilistisch anders bzw. besser eingesetzt. Auf 1½ Minuten werden bei "Inner strife" Powerchords von Gitarre und kräftige Keyboardsoli geboten. Dazu stimmlich ein geröcheltes "Huah" (leider fällt mir keine bessere lautmalerische Umschreibung ein). "On the crag" ist atmosphärisch mit Keyboardteppichen, Gitarrenakkorden und gesprochenen Textzeilen ausgestattet. Das instrumentale "Reset", ein schönes Gitarren-Keyboard-Solo, kompositorisch-stilistisch aus dem Stilbereich Neo Prog. Ein kurzer Zwischenpart und dann geht es wieder sehr metallisch und Crossover-mäßig zur Sache. "Psychotherapy" haut echt gut rein und ist grob vergleichbar mit Clawfinger. Dann grüßt Carl Orff, dem übrigens auch bei den Credits gedankt wird. Orchestrale Keyboardklänge, dazu ein gesampelter Chor. Bei "At the crack of dawn", dumpf, düster, bedrohlich, erklingen schwer vor sich hinkriechende Akkorde. Hier fühle ich mich stellenweise an Type-O-Negative erinnert. Danach ein kurzer Akustikgitarrenpart, wie am Anfang der CD mit Vogelgezwitscher untermalt. "Forest of oblivon" ist stiltechnisch zu Beginn in den Bereich metall-lastige Ballade einzuordnen, wobei die genretypischen zuckersüßen Klänge fehlen, und man doch mehr zum Melancholischen tendiert. Gekonnte übereinanderarrangierte Gesangsharmonien, dunkel-düster, aber stimmungsvoll-verhalten beenden das Lied. Der Longtrack "Melting mirror" ist komplexer Prog Metal mit allerlei guten Ansätzen. Das Ende dieses Titels sind eingestreute Kurz-Rezitate der vorangegangenen gehörten Lieder. Zum Ausklang ein gigantisch-bombastisches Gitarrensolo im neo-progressiven Stil. Eine sehr abwechslungsreiche Scheibe, mit gelungenen Soli, gekonnten Stilwechseln und spiel- sowie produktionstechnisch absolut in Ordnung. Für rein Prog Puristen eher zu metall-lastig, sondern aber als besonderer Leckerbissen nicht nur für Headbanger zu empfehlen, da Livit einfach mehr können und dies auch zeigen.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 1996