CD Kritik Progressive Newsletter Nr.79 (12/2013)
The Moody Blues - Timeless flight
(11 CDs + 6 DVDs, Universal Music, 2013)
Vor einigen Wochen fand ich auf einem Flohmarkt einige alte Moody Blues-LPs und war von der Qualität des Gehörten derart begeistert, dass ich mir oben genannte 3 kg schwere Box anschaffte. Mir war zwar ein Gerücht zu Ohren gekommen, dass die Band den Prog erfunden hätte, was ich aber mit den mir bekannten Alben "The other side of life" und "Sur la mer" (hatte ich früher als sowjetische Pressungen) nicht so recht in Übereinstimmung bringen konnte. Für mich lief das eher als Schlager, immerhin waren die Videos gut. Was ist drin in der Box? Also 11 CDs mit wichtigen Songs aller Studioalben mit Justin Hayward und John Lodge sowie Singles und sonstiges unveröffentlichtes Material, außerdem werden die Solo-Alben Mitte der 70er Jahre berücksichtigt, ab CD 6 verschiedene Live-Aufnahmen. Weiterhin drei DVDs mit Promovideos und ein Liveauftritt 1970 in Paris. Hier ist die Bild- und Tonqualität zwar eher auf Bootleg-Niveau, der Inhalt entschädigt aber auf ganzer Linie. Die Promovideos gehen zurück bis in die 60er Jahre (Musikladen), dabei begeistert mich besonders der Auftritt bei Color me Pop, mit einer teilweisen Aufführung des Meisterwerks "In search of the lost chord". Der Auftritt mag grotesk wirken und wer würde heute freiwillig diese Klamotten anziehen? Aber die Musik ist genial, wer hört gern Mellotronklänge? Lesern, die gelegentlich Probleme mit ihrer Frau bekommen (wegen intensiven Progkonsums), möchte ich DVD 3 ans Herz legen. Schiebt das Teil in den Player und eure Liebste zeigt ein fröhliches Gesicht und singt vielleicht noch mit. Die Videos sind zum Teil richtig gut und stehen den besten Leitungen von Peter Gabriel und Genesis auf diesem Gebiet in nichts nach. Und Patrick Moraz (Yes) sieht man auch nicht so oft beim Musizieren. Die restlichen DVDs (Audio) enthalten die 5.1-Mixe der ersten sieben Alben, mit Ausnahme von "In search of the lost chord". Neben ein wenig Promo-Schnick-Schnack ist auch noch ein reich illustrierter 120 Seiten Wälzer enthalten. Ab hier muss ich leider ein wenig meckern. Der Hersteller scheint solche Kleinigkeiten wie Qualitätskontrolle nicht zu kennen, oder wie ist es sonst möglich, dass keine Wiedergabe der LP-Klappcover fehlerfrei ist? Einige andere Fehler haben sich zudem eingeschlichen. Hier wäre auf jeden Fall mehr Sorgfalt nötig gewesen. Die Beat-Ära von Moody Blues hätte man vielleicht wenigstens im Ansatz streifen können. Trotzdem kann man jedem Freund sinfonischer Rockmusik eine Anschaffung empfehlen, wenn er den gesamten Backkatalog nicht bereits hat. Die Entwicklung einer faszinierenden Band lässt sich gut nachvollziehen. Leider machten auch Moody Blues den Fehler, bedeutende Abgänge (Mike Pinder und Ray Thomas) nicht adäquat zu ersetzen. Patrick Moraz mag ein guter Keyboarder sein, ein Sänger ist er nicht. Außerdem ist er auch wieder draußen. Und welch großartige Songs ein Ray Thomas komponieren konnte, zeigt eindrucksvoll "Timothy Leary (Legend of a mind)", welches gleich in mehreren, bis zu 12 min. langen, Versionen vertreten ist. Unbedingt anhören! Für mich das Prachtstück der Band.
Andreas Schütze
© Progressive Newsletter 2013