CD Kritik Progressive Newsletter Nr.79 (12/2013)

Gavin Harrsion & Ø5Ric - The man who sold himself
(41:58, KScope, 2012)

Manche Menschen verkaufen ihren Körper, manche ihre Seele und man kann sich durchaus fragen, was nach Verkauf dieser "Dinge" bleibt, was also Menschsein ausmacht. Dies führt zur existentiellen Frage: "Wer oder was ist ICH?" Ist eine körperlose Existenz bzw. eine Existenz ohne Seele möglich, wird das ICH in letzterem Falle gar seelenlos? Was aber genau bleibt dem Mann, der sich selbst verkaufte? Kann man seinen Geist verkaufen bzw. bemerkt man überhaupt den Verlust seines Geistes, wenn man geistlos (geworden) ist? Fragen über Fragen, die am Bewusstsein nagen und die hier, in diesem Kontext, nicht beantwortet werden können, falls es überhaupt Antworten mit objektivierbarem Charakter gibt. Die zwei beiden, Gavin Harrison (Schlagzeug, Bass und Gitarre) und Ø5RIC (Gesang, Touch Guitar) haben mit Unterstützung des Gastmusikers Gary Sanctuary (Piano, Keyboards) bereits die dritte Lautäußerung ihres gemeinsamen Babys abgeliefert und dieses Baby macht immer größere Schritte in Richtung einer in völligem Gleichklang schwingenden Genialität. Zunächst sollen die höchst lesenswerten Texte Erwähnung finden, die zum Nach- und vielleicht sogar zum Vor-Denken anregen, wenn man sich darauf einlässt und diese Musik nicht nur konsum(m)iert. Der Gesang von Mr. Ø5Ric ist in seiner hypnotischen Wirkung als (scha)manisch zu bezeichnen und darüber hinaus noch äußerst variabel. Es klingen Nuancen von Geoff Tate über Doug Pinnick bis hin zu Frank Zappa durch. Die Musik erinnert an neue(re) King Crimson, gemixt mit den Dixie Dregs sowie dem großen Zappano. Ebenso weht der Geist von Mick Karns Soloalben durch die Gehörgänge, während der menschliche Ausverkauf sich im Kreise dreht. Der Weltklassetrommler Hr. Harrison, der noch immer nicht den ihm nach meiner Ansicht gebührenden Ruhm geerntet hat, spielt wiederum absolut formidabel auf - Beat Displacements sowie rhythmische Illusionen pur und dennoch ist das Lied gut, selbst für Radiodauerläufer! Man könnte in der Tat (fast) sämtliche Songs im Radio spielen, ohne dass die Normalo-Handy-Musikhörer der jüngeren Gen(ab)er(r)ation eine Stampede auslösen würden, dessen bin ich mir sicher. Wo ist in diesem Kontext der Spirit Of The Radio geblieben - der große Heinz Rudolf "ich geh meine eigenen Wege" Kunze musste einst ob seiner politisch unkorrekten Bemerkungen über die Radiolandschaft in Deutschland immense verbale Prügel einstecken, was ihn nach meinem Dafürhalten umso sympathischer werden ließ - warum nur sind nahezu alle Radioprogramme gleich geschaltet, wann erwacht das Gros der Schafe aus ihrem intervallgeschachtelten Schöndoofschlaf? Erst, wenn sie geschlachtet werden? Gleich geschaltet, gleich geschlachtet, gleich geschachtelt - ist eine solche Chronologie zwingend? Ist Soylent Green lediglich eine Dystopie oder aber bald überall, wenn wir nicht sehr achtsam sind. Was haben die grünen Männchen mit dem Pfund-$-Kerl G. Soros zu tun? Fragen über Fragen... was bleibt, ist es gute Schwingungen in die sich aufgrund steigender Entropie stetig neu ordnende Welt - Umordnung mittels Unordnung - zu bringen und dies ist den beiden in vollem Umfang gelungen. Wer würfelt so wild mit dem Becher durch Nacht und Wind, es sind der Zocker, immer locker von Hocker und der Zecher, der eigentliche Blecher und im Geiste ein Kind. Doch sapperlott, auf dem (Ur-) Grund des Bechers wartet GOTT!

Frank Bender



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