CD Kritik Progressive Newsletter Nr.79 (12/2013)

Il Tempio delle Clessidre - AlieNatura
(57:03, Black Widow Records, 2013)

Il Tempio delle Clessidre - das ist nicht einfach nur eine von vielen exzellenten neuen italienischen Bands. Diese Truppe hat beim letztjährigen Prog 66 Festival in Verviers einen denkwürdigen und nachhaltigen Auftritt hingelegt und damit die Messlatte in Sachen Erwartungshaltung für das Nachfolgealbum ausgesprochen hoch angesetzt. Daran kann man dann auch leicht scheitern, was auch den erneuten Auftritt beim diesjährigen Festival betrifft (und zweimal hintereinander beim Festival aufzutreten, so etwas gibt es beim Spirit Besitzer Francis nur sehr selten!). Schnelles Fazit: sie sind weder beim Album, noch bei der Live-Präsentation gescheitert, sondern ganz im Gegenteil. Sie haben bewiesen, dass sie eine ganz eigene Marke sind, dass sie etwas Besonderes zu bieten haben. Das beginnt bei den abwechslungsreichen Kompositionen, in denen nicht nur die Keyboard-Arbeit von Elisa Montaldo besticht, sei es am Piano, Synthesizer oder auch die perfekt passenden Mellotron-Einsätze. Auch Gitarrist Giulio Canepa weiß feine Akzente zu setzen. Dass die Rhythmustruppe auf gleich hohem Niveau agiert, ist fast schon selbstverständlich. Der beim letztjährigen Auftritt gerade frisch dazu gestoßene Sänger Francesco Ciapica etabliert sich nun auch auf dem Studioalbum. Er ist sehr präsentiert, wenn man also mit gehörigem Pathos vorgetragenen italienischen Gesang nicht mag, wird man mit "AlieNatura" so seine Probleme haben. Ciapica weiß seine Stimme ausgesprochen variabel einzusetzen, und wer Bedenken hat, dass er manche doch recht fordernden Parts (Beispiel "Onirica possessione", in dem es um Albträume geht) auch live umsetzen muss, der darf sich zurück lehnen: Ciapica ist ein 1a-Sänger, der hat das alles absolut drauf! Das Intro klingt durch seinen asiatisch anmutenden Sound noch recht ungewöhnlich. Das hört sich eher nach Osamu Kitajima an als nach einer italienischen Formation, aber im Laufe des Albums wird schnell klar, dass dies symphonischer Italo Prog allererster Güte ist. Als Anspieltipp bietet sich der abschließende Viertelstünder "Il cacciatore" an, in dem unter anderem auch einige Themen vorangegangener Songs wieder aufgegriffen werden, der aber auch verschiedenste Stimmungen einfängt und gerade Elisa und Francesco in Hochform zeigen. Die live immer wieder zu spürende Spielfreude kommt auch auf dem Album rüber - diese Band macht mir unheimlich viel Spaß. Und ich denke, das wird auch noch eine ganze Weile so bleiben!

Jürgen Meurer



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