CD Kritik Progressive Newsletter Nr.77 (03/2013)

Unit Wail - Pangaea Proxima
(44:40, Soleil Zeuhl, 2012)

Das französische Zeuhl- / Jazz Rock-Label Soleil Zeuhl veröffentlicht zum Ende 2012 gleichzeitig 5 Produktionen, von denen Unit Wail's "Pangaea Proxima" eine ist. Franck-William Fromy (g, voc), Philippe Haxaire (dr), Adrian Luna (fretless b), Emmanuel Pothier (synth) und Komponist Vincent Sicot Vantalon (keys) spielten unter partieller Mithilfe zweier Gäste 12 Stücke ein, die bis auf ein paar gesprochene Textzeilen am Ende des letzten Songs "Subdeath" rein instrumental sind. Alle Songs sind für das Genre Jazzrock/Zeuhl unüblich kurz. "Three eyes" bringt es gerade einmal auf 2:23 Minuten, "Shamghala" auf 5:15. Alle anderen Tracks bewegen sich dazwischen. Da indes kein Raum für Text 'verschwendet' wird und alle Ideen stets auf instrumentale Ausarbeitung orientiert sind, wirken die Kompositionen nicht wie Rudimente, sondern ausgespielt. Unit Wail lehnen sich an keine Band besonders an, weder an die Genremutter Magma, noch an Nachfolger, und doch gibt es gewiss deutliche Gemeinsamkeiten, gleichzeitig wird in mehreren Songs ein extravaganter Stilmix gepflegt, der zuerst nicht unbedingt sympathisch wirkt, aber seinen Reiz hat. Etliche Songs, und das Gros ist in aller universitär-elitären Nüchternheit und technischen Orientierung komplex, jazztrunken und melodisch atonal, haben dezente bis auffällige Einflüsse aus No Wave, New Wave und Dancefloor - nicht markant im Vordergrund stehend, aber im Off mitschwingend, in Keyboardfiguren präsent, in leichteren Motiven parallel zum Thema passierend. Und doch sind die Stücke streng, absolut Zeuhl Jazzrock und technisch progressiv. Da wird nichts vermischt, eher sind diese flippigen Keyboardsounds wie aus Schalk im Nacken beigefügt, nur um zu sehen, wie die Reaktionen sind. Die Band ist also jung, obschon gleichzeitig diverse Einflüsse aus der klassischen Progressive Rock Phase mitschwingen, die von King Crimson der frühen Siebziger stammen könnten. Besonders positiv ist die exzellente, leider etwas ins Off gemixte Bassarbeit von Adrian Luna. Ebenso auffällig, lauter eingemixt, perfekte Basis und steter Mitarbeiter im melodisch-harmonischen Rahmen ist die stets technische, schön frickelig und komplex angelegte, überaus arbeitsintensive Schlagzeugarbeit des grandios begabten Philippe Haxaire. Fromys Gitarre und die beiden Tastenspieler stehen im melodischen Raum an vorderster Front, schmeißen sich ins Zeug und basteln beständig an düsteren Motiven und mollwütenden Themenwechseln, was ihnen sehr gut gelingt. Gitarrist Franck-William Fromy soliert überwiegend mit Hall über dem Bandgebrodel, seine ungewöhnlichen Melodiebrüche sind beeindruckend. Indes wirft die Band gleich zu Beginn ihr bestes Stück in den Ring: "Mesozoïc cities" - könnte ein Szeneklassiker werden, der noch vielfacher Bühnenbearbeitung bedarf. Überhaupt muss die locker arbeitende und handwerklich zweifellos überaus begabte und geübte Band auf die Bühne und sich die Finger wund spielen. Der "Prog"-Ansatz im Kopf ist noch zu theoretisch, da muss mehr Humor, Strenge, Anarchie, Witz und Dramatik rein - und die lustigen Tastenkinderspielereien dürfen vor die Tür.

Volkmar Mantei



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