CD Kritik Progressive Newsletter Nr.76 (11/2012)

Subtilor - Absence upon a ground
(45:11, AltrOck Productions, 2012)

Die beiden vielfach unterteilten Stücke auf "Absence upon a ground" des Subtilior genannten Bandprojektes von Michele Epifani, seines Zeichens Bandleader und Keyboarder in Areknames, bringen es auf 45 Minuten. "Absence" ist 29:38 Minuten lang, "Upon a ground" 15:29. Mit Areknames haben die episch düsteren Werke nichts gemein, eher mit Univers Zero oder Art Zoyd. Im Vergleich sind Art Zoyd wesentlich klassischer, abstrakter, ungreifbarer, Univers Zero rocktypischer, eleganter. Beide hochkomplexen Werke scheinen holperig gefährliche Übungsstrecken für Michele Epifani und seine Crew gewesen zu sein. Die Ideen sind nachvollziehbar und lebhaft, kraftvoll und klug, indes nicht ausgereift. Es scheint, als müssten beide Tracks endlich eingespielt und abgearbeitet sein. Sie haben hohe Qualität, nicht die höchste. Es gibt qualitative Schwankungen, zudem ist manche Partie schlapp und unsicher - nicht gespielt, die Einspielung ist kraftvoll und technisch erlesen. Und gewiss sind die Kompositionen durchdacht und vielfach überarbeitet, doch das Hörgefühl vermittelt hier und da einen schalen Geschmack. Was Schlagzeugarbeit, wirkt mau, zu 'normal', wenngleich sehr komplex, so doch weitaus mehr gedacht als erprobt. Manche Partie würde eher Ruins-typische Brachialität vertragen - oder die komplette Schlagzeugabwesenheit, als das scheue Getrampel. Doch: ich klage auf hohem Niveau, die Chose funktioniert und hat Schmackes, und doch, der Ball will durch die Scheibe und braucht einen festen Kick. Zweites Manko ist das Vibraphon. Auch hier gilt: Gas geben! Bewegung! Vitales Spiel! Radikalität! Und nicht das dämmerig verträumte Spiel, kaum wahrnehmbar und verschämt in dunkler Ecke verkrochen. Im Rampenlicht steht kein Instrument dieses Arrangements. Den besten Eindruck macht die akustische, klassische Violine - und der Bass, der allerdings kaum wesentlich ins Spiel kommt und auffällt. Das ganze Stück "Absence" klingt, wie es heißt. Die elektrischen Instrumente ergänzen das Arrangement im virtuosen Wechselspiel mit den akustischen sehr gut, wenn die Band die Fäden ziehen lässt und Musik ins Spiel kommt, lebhaft wird und zauberhaft wirkt. Das passiert tatsächlich, allerdings nicht pausenlos. Ich habe den Eindruck, Michele Epifani ist kammermusikalische Rockarrangements (noch) nicht gewohnt. Er hat Handschrift und Stil, kann schreiben und findet ein Faible für ausgefallene Ideen. Doch dazwischen stecken zu viele dämmerige, langatmige Passagen, in denen kraftloses Leben sich müde dahinschleppt. Vielleicht plante Epifani, "Absence" zu einem dramatisch düsteren Werk zu machen, dessen lyrische Schwebe in mäandernden Wolken dahin zieht. Doch die Lyrik hat kein Licht und die Wolken verziehen sich ins Nirgendwo. Das lange Werk ist insgesamt enttäuschend und wirkt fade. Deutlich besser wird das instrumental anders besetzte "Upon a ground" leider auch nicht. Die düstere Schwebe ist da, aber nicht stark ausgeprägt. Es bedarf etlichen Langmuts, die 15 Minuten wertvoll zu erleben. Die drei Parts haben viel mehr Leben und Farbe als der doppelt so lange Vorgänger "Absence", viel mehr Magie und Idee, und doch auch Hänger und spieltechnische Lücken. Vermutlich war die Band - waren beide Bands - von Epifanis Ideen überfordert. Zu hören sind Rockmusiker, die kammermusikalische Neumusik spielen. Und wenn sie selbst im Progressive Rock zuhause sind und komplexe Musik verstehen und zu spielen wissen, sind Einspielung und Virtuosität quasiklassischer Musik eine ganz andere Baustelle mit zahllosen Tücken, die nicht nur handwerkliches Geschick an den Instrumenten, nicht nur Verständnis für die Komposition und die Klangsprache an sich, sondern auch handwerkliche Qualität in der Komposition erfordern, mit extremen Ausbrüchen und agogischen Zentren, die das tonale Bild ausdrucksstark und abstrakt 'scharf' stellen. Wie gesagt: das ist Klagen auf hohem Niveau. "Absence upon a ground" ist ein starkes Werk. Aber kein überraschend perfektes.

Volkmar Mantei



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