CD Kritik Progressive Newsletter Nr.75 (07/2012)
Kotebel - Concerto for Piano and Electric Ensemble
(67:18 + DVD 42:59, Privatpressung, 2012)
Kotebel existieren seit Ende der 90er Jahre. Im Laufe der Zeit hat sich die Band von einer veritablen Jazzrock-Combo zu einer Retro Prog-Band mit dem "gewissen Etwas" entwickelt. Spätestens seit dem Vorgänger "Ouroboros" darf man sie als Kritikerlieblinge empfinden. Mit dem "Concerto..." liefert das Ensemble ihr bis dato ambitioniertestes Projekt ab. Im Mittelpunkt steht der Flügel, begleitet vom Rock-Instrumentarium. Nicht immer gelingt eine solche Kombination und dann wird es meistens peinlich. Nicht so bei Kotebel, die geschmackvolle, akustische Kammermusik neben treibende Rockpassagen platziert und zu keiner Zeit den Eindruck von Krampf oder Gewollt vermittelt. Das ist stimmungsvoll und wunderschön, nicht aber kitschig oder übermelodiös. Lediglich die Keyboards von Bandleader Carlos Plaza Vegas bieten schon mal kleinere Ausrutscher in den Quietschbereich. Dies kann man aber auch seiner südamerikanischen Herkunft zuschreiben, und dann geht so mancher Keyboardsound als "Trademark" durch. Natürlich erinnert diese Konstellation an die Vorlagengeber aus dem Hause ELP, dennoch erweitert Kotebel den Rahmen, verarbeitet an Jazzrock angelehnte Momente genau so, wie schrägere RIO-Sequenzen. Darüber hinaus verläuft sich immer mal wieder eine Flamenco-Gitarre in die Stücke und vermittelt einen Hauch südeuropäischer Folklore. Ich würde nicht so weit gehen, Kotebel dem RIO oder gar Avantgarde zuzuordnen, dafür sind sie dann doch zu stark auf Wohlklang getrimmt und es fehlt an Kratzbürstigkeit. Diese Platte ist einfach ein Beweis dafür, dass man auch 2012 noch ein Retro Prog-Album machen kann, das spannend und abwechselungsreich ist und nicht in öder Gleichförmigkeit versinkt. Das titelgebende Concerto steht im Zentrum der Aufmerksamkeit. Aber auch die 3 anderen Stücke, sowie der Bonus-Track "The infant" (obschon eine Aufnahme aus dem Jahre 2008) fallen keineswegs ab. Im Gegenteil bekommt letztgenanntes noch eine weitere Dimension durch ein cooles, absolut unquietschiges Saxofon. Das Niveau der Scheibe ist wohltuend hoch und als kleines Schmankerl bekommt man die Aufnahme des Concerto als "Live in the studio" DVD mitgeliefert. Ein Schelm wer dabei denken sollte, dass Adriana Natalie Plaza Engelke unbedingt auch eines optischen Eindrucks bedarf um zu begeistern. Ich erlaube mir aber die Aussage, dass ihr Liebreiz ihrer Tastenkunst in nichts nachsteht... Die DVD hat also einen echten Mehrwert. Ich halte "Concerto for Piano and Electric Ensemble" für ein Konsens-Album. Es bietet genug heimelige Verweise auf bekannte Vorlagengeber, biedert sich dabei aber nicht an und hält die Spannkraft hoch. Das Album rockt, ist dabei aber relaxed genug um sich nicht als all zu aufdringlich zu erweisen. Es schaut über den Tellerrand Richtung RIO und Jazzrock, es verfängt sich aber nicht in Selbstverliebtheit oder überbordenden Krach. Das ist ein grandios gelungenes Retro Prog-Album, welches ELP zitiert ohne sich lächerlich zu machen. Eine große Kunst!
Fix Sadler
© Progressive Newsletter 2012