CD Kritik Progressive Newsletter Nr.75 (07/2012)

Emerson Lake & Palmer - From the beginning
(70:36 + 77:34 + 77:56 + 68:38 +79:07, Sony Music, 2012)

Freund ans Herz gelegt werden, der beim EL&P-Kanon nicht ohnehin schon komplett bestückt ist oder - wie meinereiner - nur auf dumpf-tönende, verkratzte Altvinyls zurück greifen kann. Es gibt zwar bereits etliche Kompilationen - die hier löblicherweise enthaltene Discografie listet sieben -, doch wohl keine ist so wertig gemacht und bietet dabei noch so relativ viel exklusiven Mehrwert. Beispielsweise die 18-minütige "Rondo"-Version der ursprünglichen The Nice-Nummer aus dem EL&P-Gründungsjahr 1970 ist klasse, war aber bislang unveröffentlicht. Gleiches gilt für "Oh my father", vor allem aber für die Live-Version von "Hoedown" von 1973 auf CD2. Eine Erstveröffentlichung stellt überdies die hier gebotene Fassung von "Still you turn me on" dar und auch die Single-B-Seite "When the apple blossoms" dürfte manchem Fan neu sein. CD5 birgt einen kompletten Auftritt der Prog-Giganten beim Mar Y Sol-Festival 1972 in Puerto Rico. Man merkt: Hier gibt es jede Menge neues oder rares Material (wie eine Version von "Pirates" ohne Orchester) zu entdecken, anhand dessen sich der kreative Auf- und - leider muss es gesagt werden - auch der Abstieg dieses spannenden britischen Trios nachvollziehen lässt. Also der Abstieg zu platten Pop-Niederungen wie "Tiger in a spotlight", "Touch and go", "Black moon" oder jammervolle Kitschbatzen wie "Watching over you" oder "Footprints in the snow". Und zum zeitweiligen Auseinanderbrechen der Band 1979 oder der (hier nicht dokumentierten) alternativen Besetzung als Emerson Lake & Powell. Der Pop-Faktor wird in Summe aber durch beispielsweise die Dokumentation der klassischen Einflüsse der drei Herren (vgl. etwa "Piano Concerto No. 1", Prokofievs "Romeo and Juliet" oder die kompletten "Pictures at an exhibition" in einer Live-Fassung von 2007) mehr als aufgewogen. Ein Interview-Schnipsel - 1:40 zu Aaron Copeland - untermauert den dokumentarischen Anspruch ebenso wie die Integration des Materials von Vorläufer-Bands wie Atomic Rooster und The Nice auf CD1. Mit den genannten Einschränkungen und u.a. aufgrund der Ausstattung mit 60-seitigem Booklet prallvoll mit alten Fotos ist diese Edition also sehr habenswert und für den Fan gar unerlässlich.

Klaus Reckert



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