CD Kritik Progressive Newsletter Nr.75 (07/2012)

Bushman's Revenge - A little bit of Big Bonanza
(47:46, Rune Grammofon, 2012)

Auf "A little bit of Big Bonanza" erinnern mich Bushman's Revenge an die späteren Alben der Avantgarde Rock Japaner Bondage Fruit. Kein Vergleich greift, es gibt kein Einhör-Schema. Die Kompositionen haben Jazz-Laszivität, Rockhärte, Metal-Monotonie und sind längst nicht aus typischem Holz gemacht. Da sind keine kunstvoll besonderen Komplexe, keine endlosen Soloschleifen, keine 'progressiven' Instrumentalfahrten - obschon alles rein instrumental ist - keine stilistisch einfach einsortierbare Struktur. Die Ungewöhnlichkeit der Themen hat Jam Charakter, die Tendenz zur freien, dezent atonalen Form hat ebenso Jazz- wie Psychedelic Qualitäten. Ungeübte Hörer ausgefallener Klänge zwischen Jazz und Rock werden vor Schreck 'Free Rock' denken, was vielleicht ganz gut getroffen ist. Progressiv ist der Ansatz, indes passen Bushman's Revenge kaum ins Szenebild. Even Helte Hermansen (g), Rune Nergaard (b) und Gard Nilssen (dr, perc, vib) marschieren querbeet über alle eingefahrenen Denkweisen hinweg, ohne brutal und aggressiv gegen alle Kanäle anstürmen zu wollen. Kaum scheint die Band den Ansatz zur Revolution zu haben, eher dazu, intensive Songs zu basteln, die mit instrumentaler Rockästhetik ins freie Feld wollen und dabei ihre Idee pulsieren und entwickeln lassen. In aller Freakigkeit der improvisativen Themen macht sich im Laufe des Albums, das vor allem zu Anfang so einige stoische und bewusst simple Motive probiert, immer mehr der freie Charakter auf, drehen die Songs sich tiefer und tiefer in abgefahren wilde und unberechenbare Bereiche, wird das Schlagzeugspiel heftiger, energischer, lockerer zugleich, und komplexer. Der Bass donnert stupide und voluminös im Untergrund, macht die Songstruktur nachvollziehbar und gibt Schlagzeug und Gitarre, die immer wilder und ausgefallener arbeiten und das Songerlebnis atemberaubend machen, die nötige Erdung. Längstes Stück ist das die CD beendende "Hent tollekniven ivar, det har stranda en hval", dessen 10:23 Minuten grandios zur abgefahrenen Erlebnistour werden. Die 7 Songs davor, in der Überzahl eher länger als kürzer, alles so zwischen 2 und 9 Minuten, ist der Weg dahin. Schon das "Tinnitus love poem" vor dem abschließenden Overkill macht seinem Namen alle Ehre, kaum weniger intensiv ist das Album in Gänze - für Freaks extremer, abgefahrener Sounds, die Jazzexpressivität auf Rockinstrumenten lieben und gern ein wenig nordeuropäische Düsternis und psychedelische Unwägbarkeit mitnehmen. Kaum ein Album für die breite Masse, aber ein unbedingter Tipp. Besonders live wird die Band wohl gut unterwegs sein und weiter ins Freie stürmen. Auf "A little bit of Big Bonanza" ist indes nichts gebremst, die Einspielung wirkt wie live, so sind stets die ersten oder zweiten Takes auf der CD, der raue, urbane, unpolierte und hochenergische Sound wirkt so sehr einladend und gar nicht unnahbar. Die Songs hat Gitarrist Hermansen geschrieben - oder besser wohl für die Sessions die Ideen geliefert - aus denen das Trio dann gemeinsam diese exzellent rasanten Intensivstücke machte. Die melodische Arbeit hat sich Hermansen auf die Haut geschrieben, obschon er sich längst nicht in den Vordergrund drängelt, ist er dennoch doch der Mittelpunkt allen Geschehens, gut unterfüttert und vital begleitet von der Crew, ohne die nichts wäre. Atemberaubend!

Volkmar Mantei



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