CD Kritik Progressive Newsletter Nr.75 (07/2012)
Arnioe - One before X
(55:37, Privatpressung, 2012)
Auf seiner Homepage /www.arnioe.com) wird seine Musik als "Renaissance Space Rock" beschrieben. Diese Beschreibung darf der Künstler im beigefügten Interview selbst erklären. Für mich wird zumindest der Begriff "Renaissance" in diesem Zusammenhang zunächst einmal nicht ersichtlich. Denn weder sind mittelalterliche Klänge zu vernehmen, noch hat die Musik irgendwas mit dem Klassiker Renaissance zu tun. Auch weibliche Lead Vocals à la Annie Haslam wird man nicht zu Gehör bekommen. Space Rock à la Ozric Tentacles oder Quantum Fantay zwar auch nicht, aber bisweilen mag das Gitarrenspiel des gebürtigen Österreichers ein wenig in diese Richtung gehen. Schaut man sich die Fotos auf der Homepage an, scheint er ja von einem riesigen Gitarrenarsenal umgeben zu sein. Jetzt muss man aber nicht gleich eine Präsentation aller möglichen Gitarren in "Tubular bells" Manier erwarten. Arnioe ist eindeutig im Rock-Bereich unterwegs, und so ist der Einsatz der akustischen Gitarre auch eher die Ausnahme. Mit seinem Gitarrenspiel schlägt er schon eine eigene Note an. Was mir allerdings noch deutlicher auffällt - und nicht in allen Songs wirklich gut gefällt - ist die Art der gesanglichen Performance, denn hier wird ausgesprochen viel manipuliert und verfremdet. Nur selten hört man den Gesang unverfälscht, irgendwie klingt es oft unnatürlich. Das ist gewöhnungsbedürftig und hat bei mir auch eine Weile gedauert. Mit Gabriel, Phillips oder Gilmour hat dies jedenfalls nichts zu tun (siehe Interview). Doch mit der Zeit kristallisieren sich auf seinen Alben Melodien mit Wiedererkennungswert heraus. Das ist des Öfteren kein Prog, eher Rock, bisweilen vielleicht sogar Pop-Rock, in den recht viel herein gepackt wurde. So spielt Scharfegger auf den teils recht wuchtigen Kompositionen neben Gitarren und Bass auch Keyboards, Percussion und Saxofon. Beim Opener "Awaken" kommt mir irgendwas bekannt vor, erst beim dritten oder vierten Durchgang fällt der Groschen: ein Teil der Gitarrenlinie erinnert mich hier an "Hocus Pocus". "How far to go" weist auch mal ein paar härtere Gitarrenriffs auf. Stark auch der abschließende Song "IX" (also ein vor X sozusagen) mit leichten Floyd-Anklängen. Oder das schöne, auf Tastenarbeit fokussierte "Graceful exit". Der Anteil an Instrumentaltracks ist geringer als auf dem Vorgängeralbum (siehe letzte PNL-Ausgabe), was auch der Grund dafür sein mag, dass mir "Ate my words" einen winzigen Tick besser gefällt. Arnioe geht hier jedenfalls ganz bewusst seinen eigenen Weg weiter.
Jürgen Meurer
© Progressive Newsletter 2012