CD Kritik Progressive Newsletter Nr.74 (02/2012)
Myrath - Tales of the sands
(50:25, XII Bis Records, 2011)
Der arabische Frühling findet auch immer mehr Niederschlag in der sich öffnenden Musikszene aus Nordafrika. Die aus Tunesien kommenden Myrath spielen zwar oberflächlich betrachtet traditionellen Prog Metal mit leicht exotischer Note, doch diverse arabische Elemente, abseits von jeglicher Urlaubsromantik, lockern das harte Riffgewitter gehörig auf. Und ganz im Gegensatz zum Albumnamen ist ihre Musik keineswegs auf vergängliche "Geschichten aus Sand" gebaut, sondern kommt überraschend druckvoll, perfekt durchdacht und orientalisch unter Dampf gesetzt aus den Boxen. Scheuklappen bei Seite: genau das macht die perfekte Multi-Kulti Kultur aus: man nimmt sich das Beste aus beiden Welten und vereint sie zu etwas ganz Eigenem. Genauso funktioniert dies bei Myrath, die die wuchtige Energie des Prog Metalls mit orientalischer Eigenständigkeit verbinden Die Geschichte der Band aus Tunis beginnt im Jahr 2001, als man als Coverband startete, sich aber bereits sehr früh im progressiven Metal zu Hause fühlte. Prestigeträchtige Supportaktivitäten für Robert Plant, aber auch das Vertrauen auf die eigenen Stärken zwischen landestypischer Kultur und westlicher Metalkultur waren der fruchtbare Nährboden, der die seit 2006 unter dem Namen Myrath agierende Band zu einer Formation reifen lässt, die mit ganz eigenem Profil zwischen Orient und Okzident agiert. "Tales of the sands" ist das definitive Statement, das nach den Alben "Hope" (2007) und "Desert call" (2010) den finalen Schritt für mehr wagt. Während die israelische Band Orphaned Land noch weiter geht und mehrere Kulturen in sich vereint - übrigens waren Myrath im Dezember genau mit dieser Band auf ausgiebiger Tour auch in unseren Breiten unterwegs - sind Myrath zwar mehr im sinfonischen Prog Metal verwurzelt, die ansteckende Spielfreude und eine ganz eigene Note sind jedoch keineswegs von der Hand zu weisen. Schade übrigens, dass nur ganz selten arabisch als Singsprache (lediglich für ein paar Takte als Intro) herangezogen wird. Trotzdem: überaus sympathisch ist "Tales of the sands" die arabische Power Prog Metal Vollbedienung, die Lust auf mehr macht.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2012