CD Kritik Progressive Newsletter Nr.74 (02/2012)

Henderson / Oken - Dream theory in the IE
(76:19, Firepool Records, 2011)

Mike Henderson und Chuck Oken Jr musizieren seit mehr als 3 Jahrzehnten zusammen. Vor allem als stilprägende Gründungsmitglieder von Djam Karet haben sie jede Menge musikalische Duftmarken hinterlassen. Wer die umfangreiche Diskografie der amerikanischen Instrumentalformation kennt, weiß, dass jene mit jeder Menge Stilarten experimentierten. Das reicht von Progressive Rock über elektronische Musik bis hin zu Ambient, wobei man gerade auf den letzten Alben immer mehr in eine retro-progressive Richtung tendierte. Vielleicht wurde genau deswegen dieses Album des Duos als musikalischer Gegenpol dazu kreiert. Auf "Dream theory in the IE" (IE steht für The Inland Empire, eine wüstenähnliche Region außerhalb von Los Angeles, in der die Aufnahmen zum Album entstanden) hört man jede Menge spontane Improvisation, die von drei Liveshows stammen, die man vor einem ausgewählten Publikum mitschnitt. Aus 6 Stunden Material wurden 7 Titel ausgewählt, diese anschließend ohne jegliche Overdubs und nachträgliche Veränderungen auf CD gebannt. Die beiden Multi-Instrumentalisten bevorzugen eine mehr schwebende, leicht elektronisch geprägte Spielart, die von Ambient-artigen Stimmungen und langsam fließenden Tönen geprägt ist. Neben den Keyboards setzen vor allem flirrende Gitarrentöne und elektronische Percussion einen Gegenpol. Alles hat eine geradezu verträumte, mystische, aber auch sehr entspannte Stimmung, vergleichbar mit den Frippertronics, die der King Crimson Bandleader perfektionierte. Trotz der losen Formen schälen sich immer wieder wunderbare Melodien, aber auch kantige Akkorde heraus, hat die Musik etwas Meditatives und Tiefgreifendes, ohne jedoch einschläfernd zu wirken. Ein schönes Saitenprojekt der beiden Protagonisten, das als facettenreiche Balance zwischen elektronischer und akustischer Musik zu sehen ist.

Kristian Selm



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