CD Kritik Progressive Newsletter Nr.74 (02/2012)

Eider Stellaire - Eider Stellaire 1
(46:38, Soleil Zeuhl, 1981)

Trotz des steten CD-Outputs unzähliger Label bleibt es immer wieder überraschend und verblüffend, warum so mancher Klassiker, so manches Szene-Highlight, extravaganter Geheimtipp, heiß ersehnte Platte unsagbar lange braucht, bis ein formidables Reissue veröffentlicht wird. Ich denke da etwa an die Schweden Kornet oder deren Landsmänner Energy. Im Jazzrock wie im Zeuhl sind da noch manche Schätze zu heben. Wie das 1981er Debüt der Franzosen Eider Stellaire, das nun endlich würdig und um einen Bonustrack ergänzt auf CD erhältlich ist. 1980 wurde die Band von Michel Le Bars (dr) gegründet, der zuvor in Offering spielte. Eider Stellaire war der Phoenix aus der Asche der Band Astarte, in der Le Bars mit Patrick Sinergy (b) und Jean-Claude Delachet (g) aktiv war und die nun mit Pierre Gérard-Hirne (p, org), Véronique Perrault (voc) und Marie-Anne Boda (fl, voc) das Line-Up der neuen Band stellten. Vom 27. bis 31. Mai 1981 war die junge Band mit Gast Michel Moindron (ts) im Studio Frédéric Bouveron in Paris, die Aufnahmen für das erste Album einzuspielen. Im Juni wurden die Tracks gemixt und gemastert, im gleichen Jahr kam die LP im Eigenverlag auf den Markt. Die LP ist heutiger Tage second hand schwer zu finden, und wenn, dann nicht billig. Da kann die Freude nur groß sein, dass "Eider Stellaire 1" endlich remastert von Soleil Zeuhl, deren Labelprogramm im ganzen Umfang für Progressive Rock, Jazzrock und Zeuhl Fans nur von großem Interesse ist, auf CD aufgelegt wurde. Die zusammen weniger als 36 Minuten fassenden 5 Songs wurden um die 10:54 Minuten lange alternative Version des LP-Stückes "Nihil" ergänzt, die nicht nur länger, sondern auch intensiver und wilder als die LP-Version ist. Vermutlich werden nicht weitere solche Bonus-Perlen existieren, die würden gewiss ebenfalls für die CD verwendet worden sein. Eider Stellaire spielten typischen Zeuhl-Jazzrock, mit dominanten, hinreißenden Bass- und Schlagzeugfiguren, die in komplex-monotoner (kein Widerspruch!) Heftigkeit die Motive der Songs bestimmen. Der lautmalerische Gesang der Damen hat kein Magma-Format, es gibt keine stakkativen Minimalmuster, die sich endlos wiederholen und marginal ändern wie in der Minimal Music, sondern lang gezogenen sphärischen Gesang, der leichter und nahbarer auf Ohren, die diesen Sound nicht gewohnt sind, wirkt, als der Frontalangriff Magmas. Und "Eider Stellaire 1" hat deutliche Parallelen zu Eskaton, vor allem deren Album "4 visions". Der Zeuhl-Jazzrock Eider Stellaires hat die ganz bestimmte französische Prägung, im Keyboardspiel, im intensiven und hochemotionalen Kreischen der Gitarrensoli, in der stetigen, sich pausenlos steigernden Themenwiederholung und in deftigen Rhythmuskomplexen. Zwischen 5:45 und 8:35 Minuten lang, passiert in den bis auf den lautmalerischen Gesang instrumentalen Arrangements sehr viel. Ausgedehntes Bandinterplay peitscht die Energie extrem hoch, hinreißend leidenschaftliche Soli legen weitere Kohlen auf. Der Gastbeitrag Michel Moindrons birgt indes keine positive Besonderheit, sein Spiel wirkt im Soundkontext eher lahm und bremsend als das Schlachtfeld mit nur mehr Sturm zu begehen. Das Ende des vierten Tracks "Tetra" mitten im Thema ist sehr gut gewählt, erst dachte ich, mein CD-Player sei kaputt (die LP hatte ich nie gehört). Das ganz große Extra ist indes Bonustrack "Nihil" in der über drei Minuten längeren Version. Die Band zeigt sich intensiver und wilder als in jedem LP-Track. Schade, dass da nicht mehr ist. Schade, dass nicht alle Tracks so radikal sind. Indes, alle Tracks sind heftig und radikal - und nur unbedingt hörenswert. Absolute Empfehlung!

Volkmar Mantei



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