CD Kritik Progressive Newsletter Nr.74 (02/2012)
Druckfarben - Druckfarben
(44:23, Privatpressung, 2011)
Dass sich eine kanadische Band einen deutschen Namen gibt, ist nicht gerade alltäglich. Wahrscheinlich klang "Druckfarben" einfach ungewöhnlich, exotisch und einfach cool. Doch das wäre es auch schon mit der teutonischen Verbundenheit, denn stilistisch beruft sich der Fünfer aus Ontario eher auf britische progmusikalische Traditionen, verbunden mit einer gewissen nordamerikanischen Leichtigkeit. Die neun Titel auf dem titellosen Debüt kommen verspielt, deutlich retro-progressiv beeinflusst, aber ohne den erhoben Zeigefinger "schau mal, was wir alles draufhaben" aus. Das wirkt zwar irgendwie verkopft, trotzdem unheimlich locker und nonchalant. Die kompakten Songformate verzichten auf ausschweifende Instrumentalorgien, nichtsdestotrotz ist hier einiges an Komplexität und verspieltem Können versteckt. Doch während andere Bands ihre handwerklichen Fertigkeiten offenkundig ständig zur Schau stellen, flackert bei Druckfarben dies alles immer songdienlich auf, wurden die instrumentalen Ausschmückungen ganz harmonisch in die Songs eingewoben. Hier wird in 5 Minuten mehr an Virtuosität geboten als andere Bands in ausgiebige, bedeutungsschwangere Longsongs verpacken. Hinzu kommen ausgebuffte Vokalharmonien und ein typisch amerikanisch-lässiger Ansatz, so dass die kraftvolle Mixtur aus Allan Holdsworth Gitarrenfiguren, expressivem Progressive Rock irgendwo grob zwischen Dixie Dregs, Yes und U.K., sowie Melodic Rock / AOR ohne Peinlichkeiten beim persönlichen Einlassen auf diese virtuose Herangehensweise sofort zündet. Ob nun klassisch beeinflusste Pianolinien, filigrane Gitarrenakkordfolgen bzw. eine elegante, powervolle Balance zwischen Komplexität und Melodik: Druckfarben wirken irgendwie erfrischend anders, mit deutlichem Schwung nach vorne, aber dennoch progressiv vertraut. Tolles Debüt, mehr davon!
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2012