CD Kritik Progressive Newsletter Nr.74 (02/2012)
Daymoon - All tomorrows
(64:50, Eigenvertrieb, 2011)
Fred Lessing hat sich einen Traum erfüllt. Sein erstes, offizielles, vermarktetes "Solo"-Album. "All tomorrows" ist als "payatleastoneeuro-download" erhältlich und soll eventuell auch irgendwann mal als physikalischer Tonträger erscheinen. Wer ist Fred Lessing? Ein deutscher Auswanderer, der im schönen Sintra (bei Lissabon) ein behagliches Leben gefunden hat. Aktiv in der portugiesischen Musikszene, als Mitorganisator des Gouveia Art Rock Festival oder als Gastmusiker bei Projekten wie Mispell Bellyful und Project Creation sorgt der sympathische "Aussteiger" für länderübergreifende Kontakte und Freundschaften. Konzipiert wurde "All tomorrows" als Liebeserklärung an seine Frau Inês und in jahrelanger Kleinarbeit entwickelt. Dabei entstand mehr und mehr eine Teamarbeit von musikalischen Freunden, die grenzübergreifend an der Platte mitwirkten. Andy Tillison (The Tangent) z.B., der das Album gemastert hat und viele Keyboardparts beisteuerte. Oder Mats Johansson und Thomas Olsson aus der Isildur's-Bane-Familie, die ebenfalls als Gastinstrumentalisten und zusätzlich als Produzenten von "Sorry" wirkten. Fred Lessing beschreibt seine Musik als "Regressive Rock", was zutreffender nicht sein könnte. Die Stimmung des Albums ist deutlich durch die 70er Jahre inspiriert, wobei Lessing elegant direkte Vorbilder meidet, oder sie nur unterschwellig im Sound des Albums verwebt. Die Platte hat eine lyrisch-versponnene Sanftheit, ist in großen Teilen zurückhaltend und akustisch instrumentiert. Portugiesische Folklore, diese für nordeuropäische Ohren irgendwie exotisch anmutende Musik, hat sich zurückhaltend in die Stücke verirrt. Manchmal wird ein bisschen jazzig rumgejammed, dann darf es ruhig ein wenig kammerorchestral zugehen und leise Erinnerungen an die erste MIND-Scheibe von Isildur's Bane liegen nicht fern. "Bell Jar" ist hingegen fast schon Triphop. Modern und irgendwie charttauglich. An mindestens zwei Stellen habe ich Lessings Zuneigung zu Queen entdeckt, an einer Stelle klingt es all zu sehr nach David Gilmour. Abschließend gibt es crimsoides Gebläse... Was wie ein absurdes Patchwork anmutet funktioniert hervorragend. Das Gesamtkonzept steht und bietet dem geneigten Hörer Wiedererkennung im typischen Daymoon-Sound. Dazu gehört auch das weitgehend dünne Gesinge auf dem Album, welches einzig kaum überzeugen kann, aber in dieser durch feine Zurückhaltung getragenen Scheibe nicht all zu negativ auffällt. Vergleiche lassen sich schlecht anstellen. Ein bisschen Camel vielleicht, Anthony Phillips oder Steve Hackett. Wenn es rhythmisch-orientalisch wird, kommen mir Alben von Mike Batt in den Sinn... Hilflose Versuche das Wirken von Lessing und seinen Freunden zu beschreiben. Muss ich aber auch gar nicht weiter. Besorgt Euch dieses überaus sympathische Album, dem man nur den Gesang und vielleicht zu viel Ruhe "vorwerfen" kann, für mindestens ? 1,00. Eine Gegebenheit zu diesem Album möchte ich nicht unterschlagen. Kurz nach Veröffentlichung dieser Platte wurden bei Inês ins Gehirn metastasierende Krebswucherungen festgestellt. Freds Internet-Aufruf, die Liebeserklärung an seine Frau zu kaufen um seiner Frau das Leben zu retten, fand großartigen Anklang. Innerhalb von 3 Wochen kam genug Geld zusammen um eine aussichtsreiche Behandlung anzustoßen. Mehr Infos zu diesem Album findet ihr unter www.daymoon-music.com/
Fix Sadler
© Progressive Newsletter 2012