CD Kritik Progressive Newsletter Nr.74 (02/2012)

Yes - In the present - Live from Lyon
(54:55 + 65:31, Frontiers, 2011)

Keine Ahnung, wer für die eigenartige Veröffentlichungspolitik im Yes Umfeld verantwortlich ist. Kurz nach dem Studioalbum "Fly from here" gleich noch ein Livealbum hinterherzuschieben erscheint ja auf den ersten Blick sinnvoll, denn mittlerweile war die Band mit Rückkehrer Downes wieder auf Tour. Doch Achtung: "In the present" stammt nicht von der aktuellen Tour, sondern beinhaltet ein komplettes Konzert aus dem Jahr 2009. Also kein Material vom aktuellen Album, Oliver Wakeman statt Geoff Downes an den Tasten, aber dafür immerhin einige interessante Titel im Repertoire, die man nicht so oft auf anderen Livealben zu hören bekam. Soweit die Fakten, das Endresultat ist dann aber doch sehr ernüchternd. Yes sind nahe daran, sich zum Teil selbst zu zerstören. Selten klang die Band so schläfrig, teilweise unsauber und mitunter überraschend lustlos. Das liegt nicht an Sänger Benoit David, der zwar nicht immer alle hohen Töne trifft, aber seine Rolle ordentlich füllt. Es sind vielmehr die alten Recken White, Howe und Squire, die sich mit einer gelangweilten Professionalität durch ihren Backkatalog mühen. Selbst das "Drama" Material "Tempus fugit" und "Machine Messiah" klingt nach angezogener Handbremse. Überraschender Ausreißer ist dann der Extrem Oldie "Astral traveller", der seit sehr langer Zeit mal wieder ausgegraben wurde. Abgesehen von der spielerisch ordentlichen, aber keineswegs mitreißenden Präsentation darf jedoch die ketzerische Frage erlaubt sein, wer die gefühlte 1.000 Version von "Roundabout", "I've seen all good people" oder "And you and I" noch auf einem Livealbum benötigt. Und dass Steve Howe hörbar keinen Spaß hat "Owner of a lonely heart" zu spielen, macht die Sache auch nicht besser. Schade eigentlich, dass sich eine Prog Legende schleichend selbst demontiert.

Kristian Selm



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