CD Kritik Progressive Newsletter Nr.74 (02/2012)
The Void's Last Stand - Rakash
(56:51, Longhair Music, 2011)
The Void's Last Stand dürfen einen Preis dafür bekommen, dass sie stilistisch so unegal zwischen allen Stühlen sitzen, dass der Bandsound stetig mit neuen Ecken und Kanten überrascht. Allein der Gesang: was für manchen gewiss gewöhnungsbedürftig sein wird, ist nicht die eine Stimme des Sänger allein - der facettenreich und "in vielen Stimmen" zu singen vermag - sind die Gesangsarrangements überhaupt: ungewöhnliche Gesangslinien, gegenläufiger Gesang zur gleichen Zeit übereinander gelegt, sanfte, kratzige, dröhnende Stimmen - und immer wieder diese eine, die mich stark an Jello Biafra (The Dead Kennedys) erinnert. Rap ist integriert, Punk, Ironie, Zappa - und da ist der Vergleich zum Stil der Band. Wenn sie Parallelen haben, dann zum Humor Frank Zappas, zu seinen abgefahrenen Arrangements. Und doch sind The Void's Last Stand weit von Zappa entfernt. Die schneidenden, bisweilen rattenscharfen Gitarren können irre schnell gespielt werden, in fließenden Arpeggien, die wie verspielt auffliegende Vögel in windigen Bäumen sitzen. Ständig frage ich mich, wie sie zu den abgefahrenen Ideen gefunden haben, die mal wie Captain Beefheart klingen, mal wie dröhnende Punkkapelle, zu trashigem Psychedelic Rock wechseln und in komplexe Prog-Minimalismen hochfahren. Die Songs sind lang, Opener "Mother Sun and The Other Son (Part III) - The Syrian Goddess" legt über 16 Minuten vor. Der Inhalt hat keinen großen Bogen, sondern besteht aus vielen Etappen, die kraftvoll, selbstbewusst, laut und punkig rocken, und in alle Extreme entwickelt werden, die schräg und eigenwillig sind. Schöngeistigen Sound zum entspannten Wohlfühlen mag das extravagante Quartett kaum, Jonas Wingens (voc, r-g), Geoffrey Blaeske (g), Ray Dratwa (dr) und Rachid Touzani (b) verblüffen und überraschen ihre Zuhörer, überfordern und entführen sie auf krasse Abwege, auf denen es schräg, schräger und hochmelodisch zugeht. Schablonenmuster versagen ihren Dienst, und selbst hartgesottene, langjährig in allerlei Schrägliedgut geübte Ohren werden ihre Arbeit haben, sich in den Sound einzuhören. Umso erfüllender sind die unahnbaren Songs. Wenn Metallica mit Lou Reed für Fragezeichen in der Popwelt sorgen, setzen diese noch einen drauf und stapeln das Ausrufeichen gleich hinter das Fragezeichen. Ihr seid gelangweilt von den tief eingefahrenen und ausgelutschten Stilvorgaben aller Damen Länder? Dann nehmt diesen holperigen Überraschungspfad, der die schönsten Aussichten bietet!
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2012