CD Kritik Progressive Newsletter Nr.73 (11/2011)

Steeo - Four eyes in the silence
(50:03, Mellow Records, 2011)

Der seltsam anmutende Bandname lässt sich schnell erklären, denn dahinter steckt ein italienischer Musiker namens Stefano Ruggiero, auf recht vokallastige Weise kurz Steeo genannt. In seiner Danksagungsauflistung finden sich unter anderem folgende Namen: Roger Waters, Paul Simon, Robert Plant, Fraser & Rodgers, David Gilmore (ich tippe mal, es ist Gilmour gemeint), Roger Hodgson, Rick Davies, Lou Reed. Ein buntes Gemisch also. Das Album wurde mir an einem Festival-Verkaufsstand als feines Retro-Album mit Floyd-Feeling verkauft. Na ja, der Mann will halt verkaufen, und ehrlicherweise muss ich gestehen, dass er so falsch gar nicht liegt, denn eine Floyd-Affinität ist hier überdeutlich, da Herr Steeo hier ganz schwer seinem offensichtlichen Vorbild Roger Waters nacheifert. Aber wirklich gelungen ist dies nicht. Nun muss ich dazu sagen, dass ich Waters' Gesang schon im Original stellenweise grenzwertig finde, aber das gehört halt zu Floyd. Nun kopiert hier ein italienischer Musiker, mit zugehörigem starkem Akzent, Watersschen Floyd Sound, was schon beinahe selbstverständlich bisweilen ziemlich in die Hose geht. Steeo ist nicht nur für sämtliche Gesangseinspielungen und ein paar Akustikgitarrenparts zuständig, sondern hat auch sämtliche Kompositionen und zugehörige Texte zu verantworten. Er klingt schwer nach Roger Waters, was dem Album nicht wirklich guttut, aber eben den deutlichen Floyd-Bezug noch weiter unterstreicht. Da ist einiges etwas daneben geraten, aber andere Dinge sind durchaus als Pluspunkte zu werten. Er hat eine Band zur Verfügung, die durchaus kompetent erscheint. Neben Schlagzeuger, Bassist und Gitarrist ist auch ein Keyboarder anzutreffen, und der lässt natürlich aufhorchen, und er hinterlässt auch seine üblichen Spuren. Gemeint ist Beppe Crovella. Und ich wiederhole mich da: wo Crovella drauf steht, ist auch Mellotron drin. Auch wenn die Kompositionen eher kurz gehalten sind, so ist doch hin und wieder Zeit für ein paar Keyboard-Retro-Momente. Und so hübschen - wie gehabt - ein paar feine Mellotronwölkchen das Album entsprechend auf. Und auch ein paar Gilmour-ähnliche Gitarren bieten durchaus einen gewissen Hörgenuss. Mein Favorit ist das abschließende, rund 7-minütige "Macro", das wie eine Mischung aus Pink Floyd und Grobschnitt's "Solar Music" klingt. Wohl kaum ein Zufall, dass ausgerechnet dieses Highlight ein Instrumentaltitel ist. Nun wäre ein Steeo-Album ohne Steeo irgendwie reichlich sinnlos, aber für ein nächstes Album würde ich mir zumindest wünschen, dass sich Stefano Ruggiero gesanglich entweder mehr zurück hält oder - besser noch - sich stimmlich und ausdruckstechnisch deutlich verbessert. Denn brauchbare Ansätze sind durchaus vorhanden. Es ist halt immer wieder eine Frage der Erwartungshaltung. Wenn man ein tolles Retro-Album mit deutlichem Floyd-Einfluss versprochen bekommt, wird man im ersten Moment sicherlich total enttäuscht sein, doch später zur Kenntnis nehmen, dass die Einstufung doch nicht gar so komplett abwegig ist - die Qualität halt nur ein paar Klassen tiefer einzusortieren ist.

Jürgen Meurer



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