CD Kritik Progressive Newsletter Nr.73 (11/2011)

Pain Of Salvation - Road Salt Two
(58:42, InsideOut, 2011)

Daniel Gildenlöw zählt für mich seit jeher zu den absoluten Ausnahmetalenten der Musikszene - sein bisheriges Schaffen mit Pain of Salvation zeichnete sich von Anfang an durch außergewöhnliche musikalische Vielseitigkeit und gleichzeitige emotionale Tiefe aus. Ja, Daniel ist schlicht und einfach ein Künstler mit fast schon visionärer Vorstellungskraft und einem ungeheuren Gespür für Musikalität, egal in welchen stilistischen Gewässern Pain of Salvation gerade schippern. Ob man seinem musikalischen Weg dabei immer exakt folgen kann oder will, sei mal dahingestellt - ich kenne Fans von Alben wie "Remedy Lane" oder "The perfect element", die inzwischen bei neueren Werken nur noch das Gesicht verziehen. Eigentlich schade, denn so verpassen diese einige wirklich interessante Phasen der Schweden. Wie immer bei Pain of Salvation muss man sich selbstverständlich Zeit nehmen und den kleinen Kunstwerken ohne Vorurteile und mit ein bisschen Ausdauer begegnen. So auch beim aktuellen Doppel-Pack "Road Salt", von dem unlängst der zweite Teil "Road Salt Two" erschienen ist. Wie schon beim 2010 veröffentlichten ersten Part gibt man sich vorwiegend erdig-rockig, bodenständig, ja oft sogar eingängig - und straft damit alle Lügen, die behaupten, dass Prog-Bands keine einprägsamen Stücke schreiben können. Wobei Prog hier generell etwas mit Vorsicht zu genießen ist: PoS bewegen sich weitab von verfrickelten, verschachtelten Epen (zumindest die meiste Zeit), vielmehr nehmen sie einen mit auf eine Achterbahnfahrt quer durch (fast) alle Musikstile, die aber so stimmig miteinander vermischt werden, dass zu keiner Sekunde Zweifel aufkommen, wer hier am Werk ist. Und so eröffnen sich dem geduldigen und gebannt lauschenden Zuhörer Perlen wie das Mandolinen-gezupfte "Healing now", das sich anschließende, großartige "To the shoreline", "Eleven" mit fast jazzigem Prog-Gefrickel in der Mitte (klar, das können sie auch), das traumhaft-schöne "1979", der 9-Minüter "The physics of gridlock", in welchem Daniel den Text teilweise in Französisch vorträgt, oder das manchmal gar aggressive "Mortar grind" (wo sich Daniel mal so richtig den Frust von der Seele schreit). Und wie es sich für einen zweiten Teil gehört, tauchen auch immer mal wieder musikalische Zitate von "Road Salt One" auf und stellen somit die Brücke zum Vorgänger her. Ich muss zwar gestehen, dass ich nicht alle Stücke hundertprozentig mag (wie z. B. den Digipak-Bonustrack "Break darling break", der sich mit seiner Jahrmarktmelodie nur schwer in das restliche Material einfügt), aber nichtsdestotrotz ist "Road Salt Two" ein Album geworden, das einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hat und bestimmt auch in Zukunft ab und an im Player landen wird. Kleiner Tipp noch: es gibt auch eine LP-Version im schicken Gatefold-Sleeve, die neben dem satten Klang auf 180g-Vinyl auch den Vorteil mitbringt, dass man die (wie immer) sehr lesenswerten Texte nicht - wie bei der CD-Version - mit der Lupe mitverfolgen muss.

Joachim Müller



© Progressive Newsletter 2011