CD Kritik Progressive Newsletter Nr.73 (11/2011)

Brett Garsed - Dark matter
(60:35, Privatpressung, 2011)

So unscheinbar die CD-Verpackung auf den ersten Blick wirkt, so überraschend ist ihr musikalischer Inhalt. Brett Garsed, gelernter Hardrocker im Eigenstudium, der Gitarrenstunden nahm, als er schon 5 Jahre aktiv war und fleißig seinen Helden nacheiferte, hat seinen Fokus längst weiter schweifen lassen, über Ritchie Blackmore, Jeff Beck, Jimmy Page, David Gilmour, Jimi Hendrix und Leo Kottke, Rory Gallagher, David Lindley und Eddy van Halen hinaus. Seit den frühen 1990ern hat er unzähligen Fusion- und Jazzrock-Alben zu feiner Gitarrenarbeit verholfen, war an Uncle Moe's Space Ranch beteiligt, arbeitet mit TJ Helmerich, Planet X und Allan Holdsworth. Längst auch als Lehrer aktiv, sind seine Aktivitäten weit über seinen eigenen Radius gewachsen, hat Brett Garsed einen guten Namen als Sessionmusiker für bekannte(re) Acts diverser Couleur. "Dark matter" ist als Eigenproduktion veröffentlicht, Promotion macht weltweit das amerikanische Michael Bloom Media Relations, wie weit die Vertriebskanäle ausgelegt sind, bleibt der eigenen Internetsuche vorbehalten. Das Cover unscheinbar elegant, der Sound zwischen den Ankern Jazzrock und Fusion. Da sind erwachsen nüchterne Stücke, elektrische Jazzballaden, entspannt-kluge Stücke, die im Fernsehen funktionieren und die Feinheiten fein und sanft geben, fast schon poppige Groovemonster, knackiger Funk-Jazz und hart abrockende Jazzrocker mit heftiger Komplexanbindung und agogischen Zentren. Letztere sind weniger dominant. Der eröffnende Titeltrack gibt sich vielseitig und hat so ein radikales Partikel, das alle Lüste süchtiger Jazz Prog Lüstlinge weckt. Die Überzahl der Songs ist entspannt und vordergründig sachlich, setzt auf intensive Ausprägung leiserer, harmonischerer Motive, die nicht rasant ins Ohr donnern, sondern schmeichelhaft bleiben, ohne kitschig oder öde zu sein. Der Handwerker weiß genau, was zu tun, feine Songs zu spielen, die - in aller rein instrumentalen Ausprägung - liedhafte Neigungen haben und doch große Kunst sind. Das an Gitarrensoli reiche Album setzt auf die erstklassige Handarbeit erlesener Techniker. Neben Garsed, der sämtliche Gitarrenparts einspielte und die Songs geschrieben und arrangiert hat, waren der begnadete Bassist Ric Fierabracci, Phil Turcio (keys) und Funkmonster Gerry Pantazis (dr) bei der Einspielung aktiv, sowie Craig Newman (b) und Virgil Donati (dr). Letzterer macht einen deutlichen Unterschied zu Pantazis, seine Handschrift ist weitaus differenzierter und ausgefeilter, komplexer und technischer, dabei nicht minder emotional, während Gerry Pantazis Groovehände hat und Komplexpartikel konzentriert erarbeiten muss. Neben dem Titelsong, der mit der Tür ins Haus fällt und im Anschluss für mehrere Songs balladeske Sanftmut herrschen lässt, sind besonders "James Bong" und das über 10 Minuten lange "Enigma" für JazzProgFreaks interessant. Das Gros der Songs indes ist für erwachsen kühle Fusion-Maniacs gemacht, die erhaben kluge Songs mögen, in denen nicht ständig die Welt umkippt. Guter Mix, eher etwas mehr ins Luftige kippend, aber durchaus für alle Parteien interessant. Ist ein angejahrtes Genre und auch Nachwuchskünstler Brett Garsed schaut sich nach den ersten Falten um. Gut nicht zuletzt, das dem Genre immer wieder inspirierte Musiker verfallen, die kluge Kunst eher verrückt und abgedreht schräg mögen.

Volkmar Mantei



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