CD Kritik Progressive Newsletter Nr.73 (11/2011)

Cosmograf - When age has done its duty
(62:51, Festival Music, 2011)

Das vorliegende Album ist bei Festival Music erschienen, das wiederum gehört zu F2 Music Ltd. Mit F2 verbinde ich lupenreinen UK-Neo Prog, und in dieses Bild passt auch diese aktuelle Neuerscheinung. Hinter dem Pseudonym Cosmograf verbirgt sich der aus Portsmouth stammende Musiker Robin Armstrong, der fast alles auf diesem Album im Alleingang eingespielt hat, was im Klartext heißt: Gitarren, Bass, Tasteninstrumente und Gesang auf sechs der insgesamt acht Titel. Programmierte Rhythmen sind nicht zu befürchten, denn Armstrong war schlau genug, einen festen Schlagzeuger für die Aufnahmen zu engagieren. Es handelt sich sogar um einen nicht gänzlich Unbekannten, denn auf den meisten Titeln trommelt ein gewisser Bob Dalton, den man als Schlagzeuger von It Bites kennen darf. Auch Lee Abraham, Ex-Galahad Mitglied, ist als Gastgitarrist/-bassist auf einem Titel zu hören. Außerdem helfen auch mal Steve Dunn (Bass) und Simon Rogers (Gitarre) von Also Eden aus. Man befindet sich also mittendrin in der britischen Neo Prog-Szene. Der Opener ging zunächst ohne jeglichen Eindruck an mir vorbei, das darauf folgende "Blacksmith's hammer" erinnert mich sehr stark an Barclay James Harvest zu "Hymn"-Zeiten. Und so beschlich mich zunächst das Gefühl, dass dieses Werk recht wirkungslos an mir vorbei rauscht. Dann folgte der erste Song, der mich hellhörig machte: "On which we stand" schrammt knapp die 10-Minuten-Grenze und klingt, als ob John Lees einen unveröffentlichten Genesis-Titel aus der "Trespass"-Ära singen würde. Feiner Song! Und auch die nachfolgenden Nummern wussten dann doch mein Interesse zu wecken, auch schien mir die gesangliche Leistung bisweilen stark verbessert zu sein. Schnell fällt auf, dass Armstrong gerne mal kurze Klangcollagen einbaut. Ebenso wird auch deutlich, dass es thematisch wohl irgendwie um den Faktor Zeit geht. Um Uhren. Die Lebensuhr, um genauer zu sein. Das Thema "Älterwerden". Das Ganze kulminiert im sehr melancholischen 13-minütigen Titelsong, der eine gewisse Form von Dramatik durch die einleitende Erzählung erfährt, die "Growing old" betitelt ist. In diesem Song wird mir zum ersten Mal klar, was die Stärke dieses Albums ist, und was mich dazu gebracht hat, das Album - entsprechende Gemütslage vorausgesetzt - immer wieder mal einzulegen. Diese bisweilen etwas melancholische bis traurige Grundstimmung, die sehr atmosphärischen Arrangements, speziell in der zweiten Hälfte des Albums, das passt alles ganz hervorragend zusammen. Das muss dann auch gar nicht spektakulär klingen, das ist schlichtweg eine runde Sache und bisweilen ein echter Hörgenuss, wenn man sich in der passenden Stimmung befindet. Anspieltipps: das faszinierende Titelstück und "Bakelite switch", das ein wunderbares Gitarrensolo enthält und mich auch mal ganz kurz an den Endpart von "Starship trooper" erinnert. Mittlerweile finde ich dieses Album fast durchweg sehr gelungen. Wer die Alben von Steve Thorne mag, liegt hiermit vermutlich goldrichtig. Keine besonders steile These, denn Selbiger ist zum Beispiel höchstpersönlich für den hervorragenden Gesang auf dem Titelstück verantwortlich. Auch "Cerulean blue" von Rain mag als Anhaltspunkt dienen. Und angesichts mancher Gitarrensoli darf man auch mal kurz an David Gilmour denken. Ein sehr schönes Album, das nicht von irgendwelchen Fingerfertigkeitsdarbietungen lebt, sondern mich gerade durch die feinfühlige Atmosphäre überzeugt. Wer das Stimmungsbild dieses Albums als eher gewöhnlich auffasst, wird "When age has done its duty" vermutlich als Neo Prog-Durchschnittsalbum werten.

Jürgen Meurer



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