CD Kritik Progressive Newsletter Nr.73 (11/2011)
Franck Carducci - Oddity
(60:56, Privatpressung, 2011)
Der in den Niederlanden lebende Multiinstrumentalist Franck Carducci hat sich auf seinem Debütalbum mächtig ins Zeug gelegt. Die überwiegend sowohl retro- als auch neoprogressiv gefärbte Scheibe weiß mit einer reichhaltigen wie auch gekonnten Instrumentierung zu punkten und bietet dabei Kompositionen mit verschiedensten Stimmungen und Rhythmuswechseln. Der hauptsächlich von Genesis und Pink Floyd beeinflusste Musiker schöpfte nach der Begegnung mit Steve Hackett, einem seiner musikalischen Idole, die notwendige Zuversicht, um ein eigenes Album auf die Beine zu stellen. So nutzte er das Jahr 2010 intensiv, um "Oddity" mit vielen Gastmusikern zum Leben zu erwecken Carducci zieht auf der 61-minütigen Hörreise so alle Register, die einem Symphonik-Proggie eigentlich am Herzen liegen müssten. So bietet er unter anderem drei Kompositionen mit über 10 Minuten Länge, bereichernde Flöten-, Violinen- und Mandolinenklänge, Keyboardvariationen in unterschiedlichster Güte und hymnisch sowie rockig dargebotenes Gitarrenspiel. Er bewegt sich auch in balladesken Sphären, klingt schon mal bluesig und weiß ebenfalls Folkeinflüsse zu verarbeiten. Die Musik ertönt überwiegend in melodischen Reigen, sodass außergewöhnliche Brüche oder Disharmonien nicht zu finden sind. Auch ist der doch etwas akzentbetonte Gesang soweit für mich ohne Leid anzuhören, wobei mir trotzdem immer mal wieder Erinnerungen zu Nick Barrett oder Frank Bornemann durch den Sinn schweben. Allerdings ist Herr Carducci in den höheren Tonlagen treffsicherer als die vorgenannten Herren und weiß auch schon mal zu shouten. Insgesamt ist "Oddity" ein nettes und hörenswertes Album, das mir auch durch einen zuweilen messerscharfen Gitarrensound und die vielen Keyboardvariationen Spaß an weiteren Hördurchgängen bereitet. Klingt die Gitarre rockig und gequält, werde ich sehr stark an Mick Box von Uriah Heep erinnert. Ansonsten sind beim sechssaitigen Spiel auch Parallelen zu Nick Barrett zu vernehmen. Und eine Komposition wie "Alice's Eerie Dream" mit vielen Stimmungs- und Rhythmuswechseln, reichlichen Sampleeinlagen sowie den vorgenannten Fertigkeiten weiß mich richtig zu überzeugen. Und wenn "The last oddity" nach fünf Minuten aus dem Quark kommt, entwickelt die Komposition mit ihren souligen und groovenden Rhythmen glatt Hypnose-Charakter ("Echoes" lässt grüßen). Allerdings gibt es auch einige melodie- und harmonieverliebte Klangräume zu vernehmen, wobei dann für meinen Geschmack eine Überzuckerung eintritt. Nichtsdestotrotz sollten Anhänger von Bands wie Eloy, Agents Of Mercy und vor allem Pendragon dieser Scheibe mal ihre Aufmerksamkeit widmen.
Wolfram Ehrhardt
© Progressive Newsletter 2011