CD Kritik Progressive Newsletter Nr.73 (11/2011)

White Willow - Terminal twilight
(56:50, Termo Records, 2011)

Mitte der 90er gehörten White Willow neben Änglagård und Anekdoten zur absoluten Speerspitze der skandinavischen Progressive Rock Bewegung. Seitdem veröffentlichten die Norweger mehrere Alben, doch die Pausen zwischen den Tonträgern wurden immer länger. Fünf Jahre vergingen so seit "Signal to noise" und einmal mehr drehte sich das Personalkarussell in mehrere Richtungen, was aber bei White Willow nicht unbedingt Qualitätsverlust oder Neuanfang bedeutet, da in erster Linie Bandleader und Hauptsongschreiber Jacob Holm-Lupo die Fäden seit jeher fest in Händen hält. Die wichtigsten personellen Veränderungen in Kürze: als Sängerin kehrte Sylvia Skjellestad (ehemals Erichsen) zurück, als Gastsänger fungiert bei einem Stück Tim Bowness (No-Man). Am Schlagzeug sitzt mittlerweile Mattias Olsson von Änglagård, während u.a. der ebenfalls bei Jaga Jazzist und Motorpsycho aktive Ketil Einarson wiederum die sehr sachte und geschmackvoll eingesetzten Blasinstrumente beisteuert. Ansonsten hat sich vom musikalischen Ansatz nicht sehr viel geändert. Die Musik ist größtenteils etwas ruhiger und irgendwie typisch mystisch-skandinavisch gehalten, es bleibt dennoch genügend Raum für dramatische, emotionale Ausbrüche mit der vollen Retro Prog Vollbedienung, wofür sich in erster Linie Wobbler Keyboarder Lars Fredrik Froislie auszeichnet. Vor allem die Dynamiksprünge sind auf "Terminal twilight" wesentlich präsenter und offensiver eingesetzt, was dem melancholisch-verträumten Grundtenor hörbar gut tut und mehrfach für willkommene Auflockerung sorgt. Gerade im Vergleich zu dem sehr ruhig und zu zurückhaltend ausgefallenen Vorgänger "Signal to noise" gibt es auf "Terminal twilight" wesentlich mehr Härte, moderaten Bombast und inhaltliche Sprünge zu verzeichnen, haben White Willow zu alter Retro-Progressivität und kompositorischer Kernigkeit zurückgefunden. Als Kontrapunkt dazu der glockenhelle Gesang, alles im Gesamtkontext jedoch sehr gut austariert. Schönes Album.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2011