CD Kritik Progressive Newsletter Nr.73 (11/2011)

Tune - Lucid moments
(50:54, Privatpressung, 2011)

Meine ersten Höreindrücke dieser CD habe ich bewusst ohne jegliche Vorkenntnis auf mich wirken lassen. Schon nach einigen Minuten wuchs in mir die starke Vermutung, dass es sich hier um eine polnische Band handeln könnte, obwohl in akzentfreiem Englisch bei wohltemperierter und sonorer Stimme hörenswert gesungen wird. Aber die atmosphärische und melancholische Kompositionsgüte mit scharfen Gitarrenklängen und der schon mal rockigen Rhythmusattacken erinnerte mich doch an Bands wie Riverside, Lebowski und Openspace. Allerdings gibt es auf "Lucid moments" einen wesentlichen Unterschied zur Musik der vorgenannten Bands - der häufige Einsatz eines Akkordeons. Dieses volkstümliche Instrument gibt der überwiegend melodisch dargebotenen Musik zwischen New Art Rock, Psychedelic Prog und filmischer Hintergrundmusik die besondere Würze. Keyboarder Janusz Kowalski spielt das Handzuginstrument nicht unbedingt im spielenden Fluss der Töne, sondern setzt die ertönenden Klänge des in der Progmusik seltenen Instruments eher lautmalerisch ein. Für meinen Geschmack eine äußerst charmante Bereicherung, die der Musik von Tune immer wieder einige sinnliche Farbtupfer bereitet. Ansonsten steht das sowohl abwechslungsreiche elektrische als auch gefühlvolle akustische Gitarrenspiel von Adam Hajzer im Vordergrund, der mit dem zweiten Sänger und Bassisten Leszek Swoboda auch alle Stücke komponiert und getextet hat. Stimmlich weiß der Leadgesang von Jakub Krupski ebenfalls zu überzeugen, der sowohl dreckig-druckvoll als auch sonor-säuselnd intonierend unterschiedlichste Facetten beherrscht. Wieso haben polnische Bands eigentlich so häufig gute Sänger / Sängerinnen? Tune ist mit ihrem Debütalbum ein stimmungsvolles Werk zwischen leisen-verträumten und einigen temperamentvollen Klangräumen gelungen, wobei allerdings hinsichtlich der Magie eines Werkes über 51 Minuten noch Luft nach oben vorhanden ist.

Wolfram Ehrhardt



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