CD Kritik Progressive Newsletter Nr.72 (97/2011)
Scherzoo - 01
(56:45, Soleil Zeuhl, 2011)
Scherzoo ist ein neues Bandprojekt des Schlagzeugers François Thollot. Anthony Béard (b), François Mignot (g), Jeremy Van Quackebeke (p), Guillaume Lagache (as) & François Thollot (dr) haben die 6 rein instrumentalen Tracks im Monkey Studio in Lyon eingespielt, Udi Koomran hat die Aufnahmen in Tel Aviv gemastert. Scherzoo steht für instrumentalen Zeuhl-Jazzrock, alle Beteiligten arbeiten die Songs gleichwertig aus. Gitarre, Piano und Saxophon haben die meiste Freifläche für Soli. Die aufgekochten Songstrukturen werden im Bandinterplay ausgearbeitet, und selbst während der vielfachen Soloausflüge lässt die Begleitung nicht nach und hält die instrumentale Spannung aufrecht. Die Farbigkeit der Arrangements besteht im Aufputschen und Einfallen der Dynamik, fette Rockpassagen fließen in nachdenklich Sanftes, in dem elegische Motive entfaltet werden. Doppel-Soli und spannungsreiche Arrangements mit exzellenter Bassarbeit, krassen Saxophon-Ausflügen und illustrer Rhythmusarbeit betonen die dezenten Partien, während derer die Gitarre keyboardgleiche Sounds ins Off webt oder zu schneidendscharfen Soli ansetzt. Späte 70er Soft Machine waren gewiss Inspiration für dieses komplexe Gebräu, das ganz auf virtuose Instrumentalarbeit setzt. Nach den 5 zwischen sechseinhalb und weit über 8 Minuten langen ersten Tracks spielt die Band eine Neuversion von Thollots "Voyage au bout de la nuit" von 2002 ein, die über 19 Minuten lang ist und alle Register zieht. Manches Arrangement wirkt - in der Studioeinspielung - in aller Intensität und Spannung leicht gebremst, auf der Bühne wird die Band gewiss deutlich wilder und exaltierter arbeiten, die Soli radikaler und verrückter ausbauen und der Songstruktur scharfkantige Akzente geben. Schon hier ist zu spüren, dass diese etwas zu saubere und akademische Einspielung nach Explosion und Bühne verlangt. Hoffentlich wird das passieren und hoffentlich wird das aufgenommen! Für Zeuhl-Jazzrocker ein feines Album, können sich auch Jazzrock-Freaks von dem Album angesprochen fühlen, die für Zeuhl kein Gespür entwickeln oder akademische Rockklänge bevorzugen. Gutes Werk!
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2011