CD Kritik Progressive Newsletter Nr.71 (04/2011)
Random Touch - Reverberating Appartus
(52:36, Roadnoise Productions, 2010)
Handwerker mit ihren Werkzeugen bei der Arbeit. Maler mit Pinsel und Stafette an der Leinwand. Wissenschaftler im Labor. Random Touch sind der Klang der Konzentration in das Gewerk. Das Trio Scott Hamill, James Day und Christopher Brown findet in seiner Art, Klang erlebbar zu machen, zu erfinden, keinen Vergleich. Zugleich spielt die Band Free Rock und Ambient Freestyle. Ambient ist die Stimmung, nicht immer die Musik selbst. Die kann laut auffahren und in druckvollem Gewirke bis an die Nervgrenze gehen, um dann abzuflauen und mit neuer Idee neue Ufer anzustreben. Sphärische Sounds mäandern im Off, von stumpfem antirhythmischen Rhythmus unterhoben, der scheint, als sei eine Raketenmaschine von Impulstechnologie angetrieben im Weltraum unterwegs. Zumeist findet die Band aus ihren unterschwelligen Improvisationsklängen gemeinsam zu Aufgefahrenheit und Sturm, zu gemeinsamer Melodiefindung, die Wege dahin sind unendlich wie die Ergebnisse. Die letzten Platten von Random Touch sind kaum voneinander unterscheidbar. Das Trio ist auf seinem Trip weit gekommen und arbeitet sich stetig voran, immer auf der Suche nach sich selbst, dem Bandklang, einem neuen Weg, dabei leuchten die vielen schrägen Plätze auf, die ihm in den Weg fallen, die es ausfüllt und mit Klang belebt. Random Touch werden im Bewusstsein von Rockfans wohl als Jazz verstanden - ohne Jazz auch nur besonders nahe zu sein. Was Jazzfans dazu anhalten wird, die Band als 'irgendwie progressiv' festzuhalten. Diejenigen, die progressive Klänge lieben, werden wohl den Wahnwitz der Instrumentalkultur verstehen können, dabei aber feststellen, Random Touch seinen alles, aber nix Prog. Das Trio sitzt zwischen keinen Stühlen, sondern erfindet Sound ganz für sich allein, weit weg von herkömmlichen Melodie- und Arrangementvorstellungen. Ihre freien Improvisationen sind wohl zuerst Befreiung für die Band selbst, aus der fatalistischen Öde der sich schier endlos aufreihenden Alltage. Es gelingt dem Trio gut, Klang zu erzeugen, der in den Bann zieht (so man genug neugierig ist), der wegzieht von Allzugeübtem und Allzuerlebtem ins freie Off, wo der Hörsinn baumeln kann. Wenn der Bodden nicht zu weit entfernt ist. (Die alte Scheune neigt sich gefährlich, mein Rad steht jetzt in der Schlafkammer. Ich habe eine Bank vor die Scheune gestellt, um darauf sitzend dabei zuzusehen, wie das Fachwerkgebäude gemach in seine Auflösung stirbt.)
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2011