CD Kritik Progressive Newsletter Nr.71 (04/2011)
Jeavestone - 1+1=OK
(40:31, Presence Records, 2010)
Jeavestone sind ein Phänomen. Seit 1999 aktiv, mit einer EP, einer Single und aktuell 3 Alben im Kreuz lässt sich die Combo kaum kategorisieren. 2007 traten sie in Würzburg beim Freakshow-Festival auf. Dort wurden sie als eine (proggige?) Alternative zu Spinal Tap aufgenommen und das möchte ich als Kompliment verstanden wissen. Wirre Kostüme, irrer Spielspass und ein furztrockenes Rock-Konzert brachten die zurückhaltenden Freaks zum Kochen. Dass es zu jener Zeit auch noch gefühlte 48 Grad heiß war tut an dieser Stelle nichts zur Sache. Nach meiner Kenntnis (welche aus dem Debüt-Album "Mind the soup" besteht) hat sich bei der Combo nicht wirklich viel verändert. Permanent möchte man irgendwelche Referenz-Bands aus den 70ern aufrufen, doch dies verflüchtigt sich mit dem gerade gefassten Gedanken auch schon wieder. Allgemein bleibt festzustellen, dass Jeavestone eindeutig im grundlegenden Jahrzehnt des Prog zu verorten ist. Und dann wird es schwierig. Ein bisschen Glamrock, ein wenig Psychedelic, Folk, Reminiszenzen an Uriah Heep, Yes, Supertramp, Alan Parsons, Led Zeppelin, Teile von klassischem Prog, symphonische Ausbrüche, Hardrock, Singer / Songwriter, AOR, elegische Momente, Surfer-Rock, Beatles, Beggar's Opera, Flötentöne, Cello, Sax... Ja, was ist denn hier los? Und noch interessanter wird es, wenn man die Tatsache zur Kenntnis nimmt, dass all diese laxen Verquickungen vollkommen selbstverständlich und mit größtmöglichem Fun-Faktor zusammenkomponiert wurden... Die Band nennt es Prog'n'Roll und dem ist wenig entgegenzusetzen. Im Bereich gitarrenorientierter 70er-Jahre-Musik hätten sie eigentlich mit dem Retro-Hype der letzten 2 Jahre auf einer Erfolgswelle schwimmen müssen, aber eventuell sind sie zu gut dafür. Ein klasse Album ist "1 + 1 = OK" geworden, Topsound inklusive. Live und echt, roh und mitten ins Gesicht. Die 40 Minuten des Albums unterhalten perfekt und sind viel zu schnell vorbei. Soll ich meckern? Ok, der Gesang ist generell Geschmackssache. Ach was, auch das ist im Grunde perfekt. Ein bisschen Peter Hammill in "The tip reader", ein gefühlter Jon Anderson in "Hot summer fun", wunderschöne Background-Vocals von Angelina Galactique (Flötistin und Keyboarderin der Band) in "Furute shock" (so steht's auf'm Cover...). Gelegentlich ist das ein bisschen ätherisch, ein wenig zu pathetisch, aber es ist ja auch alles ein bisschen "over the top". Natürlich ist die Scheibe nicht das Highlight des Jahres 2010, aber es ist ein extrem gut gemachtes Prog'n'Roll-Scheibchen einer bisher viel zu wenig beachteten Band. Sollte man mal ausprobieren. Die Homepage der Band bietet einige Videos.
Fix Sadler
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