CD Kritik Progressive Newsletter Nr.71 (04/2011)
Introvisión - 08:36:59
(77:26, Privatpressung, 2010)
Progbands aus Costa Rica gehören eindeutig zu den absoluten Exoten, denn das kleine Land in Mittelamerika beeindruckt doch eher durch seine wunderschöne Natur, als durch musikalische Errungenschaften. Introvisión wurden bereits im Jahr 2003 in der Hauptstadt San José gegründet, trotzdem benötigte man bis Ende 2010, um den ersten Longplayer vorzulegen. Das Konzeptwerk wurde immerhin in den legendären Abbey Road Studios gemastert, ansonsten bekommt man hier ein interessantes, durchaus originelles Konglomerat aus den verschiedensten Einflüssen des Progressive Rocks geboten. Über weite Strecken instrumental gehalten, wechseln sich aggressive, härtere Passagen mit atmosphärischen Momenten ab, es darf aber auch durchaus etwas schräger zur Sache gehen. Zwar vermisst man eine dominantere, eigenständige latein-amerikanische Note, da bis auf den in Landessprache gehaltenen Gesang eher auf bekannte, konventionelle Zutaten zurückgegriffen wird. Trotzdem funktionieren die sphärischen Passagen im Zusammenspiel mit wuchtiger Expressivität und Tempo auch ohne eine exotische Beigabe. Das wirkt ganz grob wie eine Verbindung aus King Crimson, Pink Floyd und einem deutlichen Schuss Space Rock. Gerade instrumental kann das mal atmosphärische, mal vertrackte Spiel überzeugen. Introvisión vertrauen zudem nicht nur auf die Errungenschaften der Vergangenheit, sondern es geht eher zeitgemäß und virtuos zur Sache. Einzig dem dünnen Gesang fehlt es an der rechten Power und Ausstrahlung, was vor allem in den härteren Passagen deutlich zu Tage tritt. Alles in allem gehört das etwas kryptisch betitelte Album "08:36:59" zu den besseren Veröffentlichungen aus dem lateinamerikanischen Raum, da die Balance aus absolutem Gefrickel und entspannter Ruhe recht gut im gehalten ist.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2011