CD Kritik Progressive Newsletter Nr.71 (04/2011)

Central Park - Reflected
(63:24, Rockville, 2011)

An dieser Stelle ist mal wieder Raum für eine Doppelkritik, da Central Park mit ihrem aktuellen Werk doch etwas unterschiedliche Wahrnehmungen auslösen: Rock aus dem bayerischen: "Reflected" heißt das zweite Album von Central Park aus München. Dabei verheddern sich die spät berufenen Deutschen trotz einiger interessanter Ansätze im Gestrüpp von Soft Rock, mystischen Rock / Pop, Postrock, und modernem Prog. Vielseitige, Kunstvolle Kompositionen in sanfter Sound-Verpackung und zurückhaltender Spielweise, werden von Tasteninstrumenten meist in Form von Piano oder Synthies dominiert. Des weiteren sind einige Streicher, Blechbläser, rhythmische-Beats und sonstige Soundspielereien, die offensichtlich ebenfalls mit Hilfe von Synthies realisiert wurden, auszumachen. Die Gitarre ist von vereinzelten Ausnahmen mal abgesehen nur sehr selten im Vordergrund zu hören. Zudem lassen Schlagzeug und Bass jegliche rhythmische Wucht vermissen. Die neue Sängerin Jannine Pusch ist offensichtlich eine ausgebildete Sopranistin und singt somit mit hoher, heller, klarer, oft operngleicher Stimme, was nicht gerade jedermanns Sache ist. Das klingt oftmals hochdramatisch, anderseits aber auch etwas zu dick aufgetragen, da es an Kraftpotential mangelt. Mit dem 21-minütigen Opus "Vision of Cassandra" wird die Dramaturgie in Form einer "Mini-Rock-Oper" dermaßen von aufgeputscht, so dass man manchmal haarscharf am Kitsch vorbeischrammt. Insgesamt ist Central Park mit "Reflected" ein musikalisch kreativer sowie mutiger Schritt gelungen, den man der Band hoch anrechnen sollte, auch wenn sie etwas zu überambitioniert, mitunter ziellos vor sich hin musizieren.

Andreas Kiefer

Alte neue Band - Central Park gibt und gab es bereits seit 1983, ihr erstes Album [CD+DVD] wurde 2006 veröffentlicht, Anfang 2008 folgte die Konzert-DVD der Reunion, die 2005, 16 Jahren nach ursprünglicher Auflösung und dem Eindruck eines Yes-Konzertes erfolgte. "Reflected" nun, 2011 veröffentlicht, ist die erste aktuelle Produktion der alten, neuen Band, das Lebenszeichen der heutigen Band, kein Reissue alter Aufnahmen, sondern das erste aktuelle musikalische und textliche Statement der Band. 9 Tracks sind auf "Reflected", drei davon als Parts des Albumherzstückes, des dreiteiligen, einundzwanzigminütigen "Vison of Cassandra"; die weiteren sechs Kompositionen sind zwischen fünfeinhalb und knapp neun Minuten lang. Central Park spielen Progressive Rock ohne eindeutig spezielle Orientierung. Hard Rock, Symphonisches, Schräges, Neuklassisch Abgefahrenes, wild Expressives ist zu hören, längst nicht im Zeitgeist der Achtziger, als die Band ihre ersten Erfolge feierte, damals, vor ihrer Auflösung. Sondern modern, abstrakt, radikal und grandios. Aber auch Sanftes ist vielfach vernehmbar, Lyrisches, Balladeskes - und einiges, was Rockfans deutlich zu sehr ins Seichte gehen dürfte: Titel drei - der Refrain ist zu eingängig und nah am Mainstream, die weiche weibliche Stimme, ihre zu zarte, hohe, Rock-freie, liebliche Intonation, die süßliche Harmonie im Ausbruch aus der groovig-cool-melancholischen Atmosphäre des Stückes, der Wechsel der instrumentalen Begleitung ins Pompöse, die gepushte Aufgefahrenheit des ganzen Refraingeschehens, was dann im folgenden Song noch einmal wiederkehrt - die Dame hat eine gut ausgebildete Stimme mit sauberer Stimmführung, die von allem, was eine 'Rockröhre' sein kann, weit entfernt ist. Doch die Strophen, der Sprechgesang, der düstere Gesang sind, für Rockfreaks, nicht nur völlig OK, sondern fabelhaft interessant und kraftvoll, in aller partiellen Lieblichkeit. Aber was in den Refrains geschieht - in gedoppeltem, zweistimmigen Gesang und dem Bombastaustausch Pomp, dazu auch und deutlich instrumental, läuft für süchtige Rockfreaks falsch. Das ist in "White princess" und "Another part" zu hören, ansatzweise, längst nicht den kompletten Songs, nicht den ganzen Gesang bestimmend. Der weitere Gesang der "neuen" Gesangsdame Jannine Pusch, die im Sommer 2010 zu Central Park stieß, eine enorme Stimmvielfalt hat und - laut Presseblatt - eine Vorliebe für härtere Klänge und Rhythmen, ist eindrucksvoll und längst nicht nur, was in der Popmusik das Girlie am Mikro absolviert. Die instrumentale Ausarbeitung des neuen Werkes in all seinen vielfältigen Facetten ist erstaunlich. Es gibt symphonische Extravaganzen zuhauf, und im Fall von "Vision of Cassandra" probiert die Band gar avantgardistische Radikalität, was dem textlich-lyrischen Thema entspricht und aufzeigt, das die Band keinen Bock auf vordergründigen Mainstream-Erfolg hat, sondern Akzente setzen will und kann. Die stärksten Instrumentalisten sind Kopf und Komponist Jochen Scheffter sowie Schlagzeuger Artur Silber, der, vor allem in freakigen, experimentellen Passagen, exzellente Rhythmen baut und in der Verstärkung von Bassmann York von Wittern eine nicht nur sehr kraftvolle, sondern zudem vitale, vertrackte und jede Nuance des Werkes prägende Ausdrucksstärke besitzt, wo hingegen Gitarrist Hans Ochs nicht für Soloeskapaden steht, sondern den Klangraum satt und kraftvoll macht. Jochen Scheffter prägt die Nuancierung aller Songs und lyrischen Aussagen mit faszinierender und einnehmender Ideenvielfalt und das Thema instrumental grandios umsetzender Intuition, wie es Jannine Pusch mit Stimme und Intonation energisch und dynamisch erleben macht. Nach den beiden, doch, Nachlassalben der ersten Stunde ein Lebenszeichen von großer Eindruckskraft.

Volkmar Mantei



© Progressive Newsletter 2011