CD Kritik Progressive Newsletter Nr.71 (04/2011)

Big Big Train - Far skies deep time
(41:06 English Electric Recordings, 2010)

Diese Rezension lässt sich kurz fassen, ohne den Eindruck erwecken zu wollen, dass es sich bei dem neuen Album von Big Big Train (welches als EP geführt wird...) um Ausschussware handelt. Es handelt sich bei der Scheibe um eine vollwertiges CD, welche durch und durch Album-feeling verströmt, hochwertig produziert ist, ausschließlich bisher ungehörtes Material der Band bereit hält und zu keinem Moment wie eine Demo-Sammlung klingt. Gut, das Teil ist "nur" 41 Minuten lang, dies passt aber auch in den musikalischen Kontext des Albums. Besser kann man nämlich Genesis-inspirierten Retro Prog nicht machen. Wie eine Scheibe aus den seligen 70er Jahren klingt "Far skies deep time". Sie beinhaltet einen ausproduzierten Demo-Song von Anthony Phillips (siehe "Geese and the ghost"), David Longdon klingt immer mehr wie Peter Gabriel, selbst die Chöre wirken so, als sei irgendwo im Hintergrund ein gewisser Phil Collins dabei. Somit haben wir einen reinrassigen Genesis-Clone? Ja, im Grunde schon. Freunde dieser Ausrichtung müssen das Album der Engländer einfach ordern. Aber Big Big Train haben sich inzwischen so eine Lässigkeit erarbeitet, solch eine Selbstverständlichkeit und musikalische Identität, dass man keineswegs auf die Idee kommt die Platte als sinnloses Nachgeäffe abzuqualifizieren. Nicht zuletzt die hervorragenden Musiker (unter ihnen einmal mehr Nick D'Virgillio - der seinen Spock's Beard mit diesem Projekt locker den Rang abläuft - und Martin Orford), die wiederum tiefe Instrumentierung, die geschmackvollen Arrangements und die leicht artrockige Melancholie bürgen für nachhaltige Hörerfahrungen. Die Band ist einfach sehr gut. Hört man das fröhliche Banjo in "Master of time", das etwas andere Akkordeon in "Fat Billy shouts mine" (ok, mehr Genesis geht nicht), oder den edlen Kontra-Bass in "British racing green", so kann man dieser Band nur gratulieren zu ihrer sensationellen Selbstverständlichkeit. Vermeintlicher Höhepunkt ist natürlich das mehrteilige, fast 18-Minuten lange "The wide open sea", welches ich aber gar nicht mal als Vorzeige-Stück der Platte empfinde. Eher schon das regelrecht fetzige "Brambling", in dem man letzte Anzeichen eines Yes-Einflusses hört, welches für BBTrain-Verhältnisse recht rockig, fast ein bisschen schräg daher kommt. "Far skies deep time" ist ein klasse Album einer Band, die weiß, was sie tut. Wie selbstverständlich scheinen die Briten die Marktführerschaft in Sachen hochklassigen Retro Prog übernommen zu haben, waren doch schon die beiden Vorgänger "The difference machine" und "The underfall yard" hervorragend. Nun also diese "EP" und die Ankündigung, dass "English electric" in der Mache ist.

Fix Sadler



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