CD Kritik Progressive Newsletter Nr.70 (11/2010)

Rational Diet - On phenomena and existences
(46:30, AltrOck, 2010)

Rational Diet sind die rockelektrische Variante moderner klassischer Komponisten europäischer Schule wie etwa Bela Bartok, Dmitri Shostakovich oder Igor Strawinsky. Maxim Velvetov (g), Vitaly Appow (Fagott), Cyrill Christya (vi), Nadia Christya (ce), Olga Podgaiskaya (p), Anna Ovchinnikova (ce), Dmitry Maslovsky (b), Nikolay Semitko (dr) und Andrew Bogdanow (sound) haben zudem parallele Merkmale zur avantgardistischen Rockmusik heutiger Zeit, etwa zu Univers Zero oder Art Zoyd. Die halbakustische halbelektrische Band setzt klassische, neoklassische und rockmusikalische Elemente in aufwendig komplexen Kompositionen virtuos und spielfreudig zusammen, lehnt sich dabei an bestimmte Vorbilder nicht besonders an und überzeugt mit lebhaften Stücken, deren rasante Kompositionen handwerkliche Höchstbegabung und deren instrumentale Farbigkeit einen ausgeprägten Sinn für energische Arrangements verraten. Die überwiegende Anzahl der 14 fast ausschließlich instrumentalen Stücke ist von sehr kurzer Dauer, manche Idee ist nach bereits einer Minute schon verklungen, mehrere erreichen die Zeit von zwei Minuten nicht. Doch das schmälert die Intensität der 'Songs' nicht. Manches wirkt fragmentarisch, angerissen, und hat dennoch in seiner würzigen, flüssigen Umsetzung Kraft und Energie. Nicht allein der Klang der Instrumente fand Eingang in die Ideen der belarussischen Band. Zu Olga Podgaiskajas Gesang sind im Hintergrund krachige Geräusche zu hören, die ebenso musikalisch wirken, wie sie wohl gemeint sind, jedoch wohl neugierige Hörer aus der klassischen Musik irritieren werden, die solcherlei Klang als gewollt kaum kennen. Rational Diet sind, obschon kaum 'normal' rockbetonte, so doch knackige, deftige Songs gelungen. Der kraftvoll-komplexe Ansatz des Schlagzeuges im Verbund mit Fagott, Piano und Celli hat, ähnlich wie bei Univers Zero, dramatische, harte Ansätze, die Avant Prog Süchtigen sehr gut gefallen werden. Der melodische Rahmen in seiner extravagant abstrakten Ausprägung mit eher marginaler Rocknähe und rasanter, kunstvoll dekadent satter Umsetzung ist typisch europäisch, hat gewiss dezente folkloristische Ansätze in seiner partiellen Fröhlichkeit, ist indes kein Gran schlicht oder eingängig. Die Neue Musik, Progressive Rock und Avantgarde ausgefallen und ungewöhnlich mischende Band hat das Format, über ihre Szene hinaus Erfolge feiern zu können. Bleibt zu hoffen, dass das Ensemble für Konzerte die Möglichkeit bekommt.

Volkmar Mantei



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