CD Kritik Progressive Newsletter Nr.70 (11/2010)
Mekong Delta - Wanderer on the edge of time
(49:31, Aarrgh / H'art, 2010)
Eines der besseren Prog / Thrash Metal-Alben des Gesamtjahres 2010 beginnt mit einer verbeugenden Wiederaufnahme eines Klassiker aus der eigenen Geschichte, nämlich "Dances of death (And other walking shadows)" von 1990. Und mit einer Überraschung. Zu persönlichen Favoriten gehörte die Truppe um Mastermind Ralf Hubert ja stets. Doch was der Wechsel des Sängers ausmachen kann, verblüfft nun schon. Dabei war Leo Szpigiels sirenenhaft schrillende Watchtower-Version keinesfalls schlecht oder sonstwie verkehrt gewesen. Nur halt so ungemein anstrengend... Sein Nachfolger Martin LeMar hat schon bei Tomorrow's Eve und vor allem Lalu bewiesen, was für eine kraftvolle, wiewohl angenehme und wandlungsfähige, speziell in hohen Lagen angenehm an Daniel Gildenlöw (u.a. Pain Of Salvation) erinnernde Stimme er hat. Genau so einer hatte dieser Wucht von einer Band noch gefehlt. Denn obschon sich auch an einer anderen Position das Besetzungskarussel wieder gedreht hat: Die im Mekong Delta zusammengespült wurden, waren ja immer schon Meister an ihren Instrumenten sowie im Zusammenspiel. Noch neu an Bord ist Alex Landenburg (drms; Annihilator, At Vance, Axxis). Der peitscht uns nun auch durch köstliche 50 Minuten eines Konzeptalbums, das zwar vor wunderschönen Ideen und liebevoller Ausführung nur so ächzt, aber eben auch das Gegenteil von verkopft ist: Von verträumten Konzertgitarren-Parts (immerhin wird die - endzeitlich getönte - Geschichte eines Geigers erzählt) fallen wir in die aberwitzig schnelle "Ouverture", die in ihrer kreiselnden Verstörung und wachsenden Wut an die legendären "Pictures at an exhibition" erinnert. "Le Fou" - Auftritt des neuen Sängers, der sich in einer geheimnisvoll-dramatischen Szene einführt. Sehr beeindruckend, sehr melodisch. Da sich dieses Album - wohl eines der empfehlenswerten der starken MD-Historie - keinerlei Ausreißer leistet, kann hier schon zur Schlussbemerkung übergeleitet werden: "Wanderer on the edge of time" schreit förmlich danach, mit noch passend zu drehenden Filmbildern hinterlegt oder um Schauspiel- und Tanzeinlagen ergänzt aufgeführt zu werden.
Klaus Reckert
© Progressive Newsletter 2010