CD Kritik Progressive Newsletter Nr.70 (11/2010)
Antidepressive Delivery - The best of
(41:37, Sön & Sön Music, 2010)
Klarer Etikettenschwindel. Mitnichten handelt es sich hier um ein "Best of" Album von Antidepressive Delivery, also um eine Zusammenstellung ihrer besten Titel der bisher erschienenen zwei Studioalben. Vielmehr war es die Band einfach leid, sich mit irgendwelchen Labels auseinanderzusetzen, sondern sie veröffentlichten ihr aktuelles Album gleich als kostenlosen Download und mit einem etwas irritierenden bzw. selbstironischen Titel auf ihrer Website. Keineswegs blieb dabei die Qualität auf der Stecke, denn die Norweger sind ganz ihrer eigenen Retro Tradition treu geblieben und spielen immer noch eine erdige, sehr tighte und groovige Mixtur aus 70s Hard Rock und Retro Prog. Die Besinnung auf die Vergangenheit ist hier keineswegs Mittel zum Zweck, sondern man nimmt Antidepressive Delivery problemlos ab, dass sie mit voller Ehrlichkeit und Würde einfach in den 70ern zu Hause sind und jegliche aktuelle Strömungen gewollt ausblenden. Die analogen Sounds passen sich völlig unpeinlich ins Gesamtgefüge ein, es sind vor allem die mal sanften, mal energischen Melodiebögen, die im Gedächtnis hängen bleiben. Komplexität und ausufernde Instrumentalakrobatik wurde zu Gunsten gekonnter Gesangsharmonien und packender, mehr zurückgenommener Songideen zurückgefahren. Nicht Schnelligkeit und spielerische Eitelkeit, sondern vor allem viel Gefühl und bluesige Momente sind jetzt Trumpf. Dass man auf Altes zurückgreifen kann, ohne dabei altbacken oder angetagt zu wirken, beweisen Antidepressive Delivery mit ihrem offiziellen dritten Longplayer. Ob dieser aber wirklich zu einem "Best of" Album reifen wird, ist nur schwerlich einzuschätzen. Guter Retro Stoff ist es allemal.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2010