CD Kritik Progressive Newsletter Nr.70 (11/2010)

Extra Life - Made flesh
(43:47, LOAF, 2010)

Welche Band kann heutzutage noch etwas wirklich Neues erschaffen? Trotzdem ist es immer noch möglich, mit grenz- und genreüberschreitenden Einfällen echte Originalität zu beweisen. Extra Life wildern ausgiebig im R.I.O. / Avantgarde Bereich, doch trotz Sperrigkeit, sowie Klangattacken mit u.a. Violine und Saxophon, werden die Songstrukturen nicht komplett ab absurdum geführt, auch wenn normale Konventionen hier keinen so großen Stellenwert haben. Bei den Internet Kollegen der Babyblauen Seiten reichte deshalb die Begeisterung sogar soweit, dass "Made flesh" zum Album des Monats September gekürt wurde. Es ist jedoch nicht unbedingt einfach, sich diesem Album auf althergebrachter Weise zu nähern. Selbst wenn hier die Abteilung Attacke nicht ständig zum Angriff bläst, sogar Raum für recht ruhige, sparsam arrangierte Passagen bleibt, weiß man nie, wann der nächste unerwartete Sprung ins krachende, dissonante Ungewisse folgt. Das Wandern zwischen gewollter Schrägheit und noisiger Dynamik ist Programm. Hier sind so vielen klangliche Kanten, an denen man sich stoßen kann, dass man sich entweder jede Menge blutige Ohren holt oder begeistert mit verdrehtem Hirn den Slalom des Absurden mitmacht. Eine ganz eigene Faszination ist bei Extra Life sicherlich nicht von der Hand zu weisen, doch bleibt beim Schreiber dieser Zeilen dann doch ein ziemlich großes Fragezeichen bzw. die Gewissheit, dass man eben doch nicht immer alles verstehen kann oder muss.

Kristian Selm



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