CD Kritik Progressive Newsletter Nr.70 (11/2010)

Charming Hostess - The Bowls Project
(55:30, Tzadik, 2010)

Jewlia Eisenberg ist eine umtriebige Wanderin zwischen den Welten der Oakland-Scene, Klezmer, Jazz, Vocal-dominierte Folklore und Punk-Attitüde. Jewish Culture spielt die Hauptrolle im Leben der Künstlerin, die nun folgerichtig auf John Zorns Tzadik-Label veröffenlicht. "The Bowls Project" ist das erste Studio-Projekt der Charming Hostess seit 2005. Inspiriert durch archäologische Funde in der Gegend des heutigen Irak, thematisiert das Album Inschriften und magische Formeln der nordafrikanischen und vorderasiatischen Kulturen um 300 - 700 nach Christus. Musikalisch bewegt sich das Projekt im Spannungsfeld verschiedener folkloristischer Einflüsse, die sowohl jüdische und osteuropäische Folklore verbindet, aber auch mit Country-Elementen spielt. Darüber hinaus fehlt genau so wenig ein Kammerorchester wie mannigfaltige Percussion. Typisch für das Eisenberg-Selbstverständnis sind Vokal-Extravaganzen, avantgardistische Schlagseite, aber auch Rock- Pop- und Jazz-Elemente. Die Tiefe der Band ist beeindruckend. So finden sich nicht nur Marika Hughes, Ches Smith und Shahazad Ismaily auf der Besetzungsliste, sondern als Gäste u.a. auch Nils Frykdahl, Dawn McCarthy und Marc Ribot. Frykdahl, einst festes Mitglied der Charming Hostess und dieser Tage mit dem Sleepytime Gorilla Museum unterwegs, intoniert dann auch das dämonische Duett "Demon lover" in gutturaler Form. Ein Höhepunkt des Albums, welches allgemein aber mit ausgeglichener Qualität punkten kann. Stücke zwischen 2 und 4,5 Minuten lassen hier auch keine solistischen Ausflüge zu. Im Mittelpunkt stehen Gesang, in jüdischer und englischer Sprache, percussive Elemente und ein exotisch anmutendes Rock-Orchester, vielfach auf Basis traditioneller Folklore. Immer wieder aber schaut die Protagonistin mit ihrem Ensemble über den Tellerrand. Mal wird es schräg und abgedreht, manchmal wähnt man sich fast in einem Tarantino-Soundtrack, mal geht es rein A Cappela zur Sache, dann rockt es auch wieder hart und krachend und sogar eingängige, regelrecht schöne Momente finden sich vermehrt auf dieser Platte. Sicherlich ist Charming Hostess generell keine "klassische" Prog-Band. Eher ist es die Attitüde einer Crossover-Combo, die exotische Folklore und das "schräge" Gesinge der Eisenberg sowie des Chores, welche die Band vom Mainstream-Allerlei abhebt. Die ausgezeichnete Band unterstützt den positiven Gesamteindruck des Bowls Project und somit sei eine Empfehlung an experimentierfreudige Leser ausgesprochen.

Fix Sadler



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