CD Kritik Progressive Newsletter Nr.70 (11/2010)

Chandra - Hic et nunc
(66:19, Teorema, 2010)

Jazz Rock / Psychedelic Band - so schätzen sich Chandra selbst laut Eigenbeurteilung auf ihrer Website und auf MySpace ein. Die schmucklosen Worte klingen keineswegs so einladend, ganz im Gegensatz zum hörtechnischen Eindruck, dem einen hier die italienische Formation vermittelt. Die 7-köpfige Band arbeitet nicht nur mit der normalen Rockbesetzung, mit Didgeridoo und Flöte sind noch zwei zusätzliche Blasinstrumente am Start, die für eine etwas andere klangliche Ergänzung sorgen. Besonders das Instrument der australischen Ureinwohner sorgt mitunter für eine wohlige, leicht brummelnde Untermalung. "Hic et nunc" zeigt eine Band, die sich nicht sofort kategorisieren bzw. in ein festes Schema pressen lässt, die mit scheinbar freien, improvisativen Momenten spielt, aber ebenso genau fokussiert und bisweilen sehr melodisch zu musizieren weiß. Ebenso gehört gelegentliche Stimmenakrobatik von Sprechgesang bis zu lautmalerischen Geräuschen zum Bestandteil des eigenen Repertoires. Band aus Italien, gesangliche Verfremdungen, Jazz Rock - da kommt einem natürlich unweigerlich Area in den Sinn. Doch Chandra erinnern nur in Nuancen an die Landsmänner, bei ihnen geht es trotz deutlichem Jazz Rock und leichterem Prog Einschlag wesentlich gesetzter und weniger aggressiv zu Werke. Trotzdem ist "Hic et nunc" ein Album voller nicht vorhersehbarer Wendungen und Überraschungen, das in erster Linie auf die instrumentale Kraft setzt. Woher die psychedelische Komponente in der Selbsteinschätzung kommt, lässt sich nur an den gelegentlichen atmosphärischen Ausflügen und den ruhigeren Momenten erahnen. Ansonsten ist hier eine hoffnungsvolle Formation aus Südeuropa am Start, die nicht einheitliche Schnittmuster und Erwartungen befriedigt, sondern gerade bei den Longtracks jenseits der 10 Minuten mit Stimmungstiefe und Abwechslung eindrucksvoll überzeugt.

Kristian Selm



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