CD Kritik Progressive Newsletter Nr.70 (11/2010)

Aranis - Roqueforte
(58:25, AltRock, 2010)

Joris Vanvinckenroye ist nicht nur ein toller Musiker, Arrangeur und Komponist, er versteht es auch, den Sound seiner Kammer-Rocker Aranis gefühlvoll zu variieren und vorsichtig in neue Klangdimensionen zu führen. Waren es auf dem Vorgänger "Songs from Mirage" noch die lautmalerischen Gesänge eines Damen-Chors, so darf dieses Mal niemand geringeres als Dave Kerman die bisher unvorhandenen Stöcke schwingen. Beim RIO-Festival zu Albi 2009 deutete Vanvinckenroye bereits an, dass da etwas "im Busch" ist, und tatsächlich macht Pianist Pierre Chevalier die Sache rund. Er spielt mit dem Drummer gemeinsam bei den RIO-Urvätern Present, darüber hinaus ist Chevalier auch bei Univers Zero beschäftigt. Kerman hat nebenbei etliche Projekte, von denen sein Punk-Avant-Projekt 5UU's vermutlich am ehesten heraussticht. Vanvinckenroye / Chevalier / Kerman - A Supergroup to end all Supergroups... Univers-Zero-Light, so klingen Aranis in dieser Besetzung. Kerman ist mannschaftsdienlich und arbeitet sehr viel Percussion in sein unnachahmliches Spiel ein. Der Piano-Anteil von Chevalier verfügt naturgemäß nicht über den durchschlagenden Eindruck, hatten Aranis doch immer schon exzellente Pianisten im Line-Up. Die Kompositionen wirken anspruchsvoller, verquerer und natürlich durchtränkt von RIO-Eindrücken, die sich - wie Vanvinckenroye glaubwürdig versichert - erst mit dem Festival in Albi in die Kompositionen geschlichen haben. Aranis sehen / sahen sich keineswegs als Teil dieser Szene, musiziert man doch aus einem klassischen Motiv heraus. Kammerrock ist das sicherlich, auch wenn man vergeblich das Rock-Instrumentarium sucht. Und rockend und regelrecht groovend gab sich das Ensemble auch schon auf allen bisherigen Scheiben, dort ebenfalls ohne jeden elektrifizierten Einfluss und ohne Rhythmus-Instrument. Insofern ist die Frage berechtigt, ob man mit Kerman nicht einfach nur einen "Special-Guest" auf dem Album verewigt hat, denn eine klare Weiterentwicklung ist der Musik nicht zu entnehmen. Zwar scheinen die Kompositionen komplexer angelegt, das Aranis-geneigte Ohr kann diesen kleinen Unterschied aber kaum ausmachen. Zudem beginnt Kerman erst zum Ende des Albums aufzutauen und setzt mit druckvolleren Akzenten gewünschte Ausrufezeichen. Doch alle "Wenns und Abers" übertünchen nicht die Schönheit von Aranis-Musik. Akkordeon, Flöte, Violine, Contrabass, klassische Gitarre und Piano bilden die Grundlage für den "undoofen Klassik-Pop" der Band, dieses Mal eben mit Percussion und Stargast-Appeal. Klar, da hätte man auch mehr draus machen können, sicherlich wäre es manchmal wünschenswert, noch eine Schüppe Komplexität draufzulegen. Gerade wenn Kerman mal die Fälle malträtiert, könnte irgendwas auch mal "bratzen"... Letztlich sind die Entwicklungen in der Band doch sehr, sehr sachte. Wer aber mag, was das Ensemble bisher abgeliefert hat, der wird auch mit der musikalischen Speisekarte von "Roqueforte" seine Freude haben. Joris Vanvinckenroye ist ein kluger Mann, er wird die Band immer wieder mit neuen Ideen und Entwicklungen bereichern. Also freuen wir uns weiter auf gutklassige Werke und hoffentlich viele, viele Live-Konzerte der sympathischen Flamen.

Fix Sadler



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