CD Kritik Progressive Newsletter Nr.70 (11/2010)
Abacus - Destiny
(54:17, Musea, 2010)
Abacus (Lateinisch für ein über 3000 Jahre altes mechanisches Rechenhilfsmittel) sind eine Progband aus den frühesten Tagen des deutschen Krautrock, die sich 1971 in Hamm/Westfalen formierten. Mit der vorliegenden CD bringen sie schon ihre achte Veröffentlichung auf den Markt (inklusive dem Sampler "Restrospection" von 2004), wobei Musiker aus der Gründungsformation nicht mehr dabei sind. Musikalischer Kopf der deutschen Sinfonic-Progger ist seit ihrem vorletzten Studioalbum "Fire behind bars" von 2001 Keyboarder Jürgen Wimpelberg, der auch schon oftmals bei den Deutsch-Proggern von Solar Project als Gast mitgewirkt hat. Dies gilt übrigens auch für Sänger Stefan Mageney. Mit ihm hat man sich auch eine recht angenehme Stimme ins Studio geholt, da er aus einer musikalischen Familie stammt, Gesangsunterricht genommen hatte und unter anderem gerne in Hard Rock Bands shoutet. Sein englischer Gesang und sein Timbre erinnern mich schon mal an eine Mischung aus den Stimmen von Stefan Danielak alias Willi Wildschwein (Grobschnitt) und Barry Palmer (u.a. Triumvirat). Vor dem ersten Hördurchgang wurde mein Interesse hinsichtlich der ansprechenden künstlerischen Gestaltung des 12seitigen Booklets mit sehenswerten Motive von Holger Schoemann und der Information, dass Eroc für das Soundmastering verantwortlich ist, besonders geweckt. Aufgrund der Verantwortung aller Kompositionen von Keyboarder Wimpelberg ist die musikalische Inszenierung dementsprechend von vielen Tastenvariationen geprägt, sodass die Gitarrenlaute sich eher selten in den Vordergrund drängen dürfen. Die musikalische Ausrichtung auf "Destiny" liegt im sinfonisch orientierten pompösen Prog, wobei einige Themen- und Rhythmuswechsel, eingestreute Samples und zuweilen härtere Töne auch schon mal für Überraschung sorgen. Ingesamt wurde ich bei meinen Hörreisen durch dieses Werk doch immer wieder an die mehr kommerziellen Phasen von Bands wie Triumvirat, Emerson Lake & Palmer oder auch Alan Parsons Project erinnert. Beim Track "Promised land" gleitet die Band sogar von den Melodiebögen in AOR-Gefilde, sodass die Rhythmen mich stark an Foreigner oder Toto erinnern. Mit der Gewittereröffnung von "The light" wird die Nähe zum Alan Parsons Project ("The fall of the house of Usher") wiederum spürbar, wobei gerade diese 13minütige Komposition mir am besten gefällt. Hier wird geschickt, auf Grundlage einer gewissen neoprogressiven Dramatik gewürzt mit stimmungsvollen Keyboardläufen und einem akustischen Gitarrenpart im Stile von "Mood for a day" ein abwechslungsreiches Prog-Epos dargeboten Wer ein Freund von reichhaltigen, melodischen und pompösen Progtönen ist, wird an diesem Werk bestimmt seine Freude haben, da "Destiny" professionell inszeniert auch internationalem Niveau gerecht wird. Mir ist die Kompositionsgüte allerdings überwiegend zu lieblich, und ich würde mir für die nächste Veröffentlichung mehr Komplexität und Überraschungsgut wünschen.
Wolfram Ehrhardt
© Progressive Newsletter 2010