CD Kritik Progressive Newsletter Nr.6 (12/1995)
Jon Anderson - Olias of Sunhillow
(44:12, Atlantic, 1976)
Wie bereits im Vorwort angedroht, wagen wir auch den Rückblick in die Jahrzehnte, um auf längst vergessene Perlen aufmerksam zu machen. So handelt es sich bei Jon Anderson Werks um seine erste Soloscheibe, die er damals in der Yes Pause nach dem "Relayer" Album aufnahm. Dieses Album ist auch noch heute mit Abstand sein Bestes, denn die meisten seiner Ausflüge in andere musikalische Gefilde klingen doch irgendwie unbefriedigend. Wer nun jedoch ein Album im Yes-Stil erwartet, der irrt sich leider gewaltig. Jons Vorliebe fürs Fantastische und Überirdische wird vielmehr in vollen Zügen ausgelebt. Eine beruhigende, melodische, klanglich und textlich wunderschöne Mischung aus New Age und folkloristischen Elementen, die noch verpackt wurde in ein Konzeptalbum mit fantastischen Bildern. Und schon geht die Reise ab in fremde Fantasy-Welten mit eigenartigen Klängen und Wesen. Olias of Sunhillow reist auf seinem Schiff, der Moorglade, durch ferne Galaxien, um zum Schluss der Geschichte mit seinen Freunden eins zu werden mit dem Universum Ein Science Fiction Soundtrack, in dem sich die glockenklare Stimme des Maestros immer wieder in neue ungeahnte Höhen schwingt und er nebenbei noch alle Instrumente selbst bedient. Dies sind hauptsächlich Keyboards, die sphärische Klangteppiche erzeugen und Akustikgitarre. Dabei sind trotz der Keyboardlastigkeit und dem vorhandenen New Age Charakter nicht nur ewige, ziemlich seichte Klanggebilde angesagt, sondern Stimmungen werden geschickt spannungsvoll auf- und abgebaut. Daneben wird man von der positiven kindlichen Einstellung Andersons zugeschüttet und fühlt sich schon bald, soweit man bereits ist sich diesen Klangbilder auf Dauer auszusetzen, wie in einer anderen Welt. Das beste Yes-Soloalbum bleibt zwar für mich noch immer Chris Squires "Fish out of water", aber auch Jon Anderson hätte zumindest mit dieser CD eine Chance verdient. Leider ist diese CD bisher nur als teuerer Japan-Import zu erhalten, aber vielleicht ist Atlantic doch irgendwann mal so gnädig, auch den Europäern dieses Klangwerk für einen vernünftigen Preis zugänglich zu machen.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1995