CD Kritik Progressive Newsletter Nr.6 (12/1995)

The 3rd And The Mortal - Nightswan
(23:25, Voices Of Wonder, 1995)

Das Sextett der düsteren Gitarrenklänge und elfenartigen Gesänge beglückte mich recht überraschend mit ihrem dritten Werk, wobei mir die Veröffentlichungspolitik der Norweger etwas undurchsichtig erscheint. So ist dies zwar ihre dritte CD, es handelt sich aber wiederum, wie bei der ersten Scheibe, nur um eine Mini CD mit einer Spieldauer von weniger als 25 Minuten. Nach dem Ausstieg von Sängerin Kari Rueslåtten hatte ich zuerst Bedenken, ob ein adäquater Ersatz gefunden werden könnte. Doch vom Gesang her ist alles beim Alten geblieben, die neue Sängerin singt in den gleichen abartigen Höhen, wie ihre Vorgängerin. Dafür sind die Strukturen wesentlich komplexer, schräger und unzugänglicher geworden. Es überwiegen zwar immer noch düstere Gitarrenakkorde, doch so spielen sich beim ersten Song "Neurosis" schon fast jazzbeeinflusste kontrapunktive Duelle zwischen Gesang und Rhythmustruppe ab, um dann wieder in melancholisches Gitarrenzirpen mit glasklaren Gesang überzugehen. Daraufhin folgen düster heavy Gitarrenakkorde, die prägend für den Stil von The 3rd And The Mortal sind und alles scheint doch gut zu werden. Dafür versöhnt "From the depth of memories", gute Gitarrenarbeit, düsteres Klangbild und prima vom hohen Gesang ergänzt. Auch "Vavonia" ist zwar etwas untypisch, dafür aber atmosphärisch, dramatisch und beeindruckt durch seine Stimmung. Daneben kann ich aber mit "The meadow" fast gar nichts anfangen. Fast nur hoher, teils schräger Gesang, der im Hintergrund von sehr ruhigen, aber wenig melodischen Klangpassagen getragen wird. Experimentell, aber irgendwie nicht mein Ding. So bleibt am Ende bei mir ein irgendwie nicht erfülltes Gefühl mit der bangen Frage, was habe ich hier für mein Geld gekriegt? Zwei Lieder, die okay sind, sofern einem dieser ruhig-düstere Gitarrenrock gefällt und zwei halb experimentelle Songs, die ich so von dieser Gruppe nicht erwartet hätte. Ein mutiger Weg, ob ihn der Zuhörer folgen möchte, muss jeder selbst entscheiden.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 1995