CD Kritik Progressive Newsletter Nr.6 (12/1995)

Relayer - A grander vision
(40:33, Wire Mill Records, 1994)

Bei so einem Gruppennamen fällt dem Progfreund natürlich gleich das epochale Werk von Yes ein. Mit diesem Meisterwerk hat aber diese amerikanische Band fast gar nichts gemeinsam, allein die Bassarbeit erinnert stellenweise an Chris Squire. Jedoch versuchen Relayer die hohen Vorschußlorbeeren, die ihr Name birgt, durch die Credits gleich wieder wett zu machen, denn es wird Carl Palmer, Steve Hackett, aber auch Pete Townshend und Freddie Mercury gedankt. Wie bei fast allen amerikanischen Veröffentlichungen der letzten Zeit: gute Soundqualität, sowie guter musikalischer und kompositorischer Standard, bei dem nur der letzte Song "Wire mill scars" schwächer ausfällt. Der Gesang sorgt jedoch für Minuspunkte, da John Sahagian zwar gute Gitarrenarbeit, aber nichts Überragendes an den Stimmbändern abliefert. Damit kann man anfänglich noch leben, denn der musikalische Rest ist deutlich besser. Vier Stücke bei einer Spielzeit von 40 Minuten sorgen für Längen zwischen 5 bis 9 Minuten und einem Longsong mit über 20 Minuten. Vor allem bei diesem Stück, gleichzeitig der Titelsong des Albums, dürfen Saiten- und Tasteninstrumente solistisch glänzen und sorgen damit für den absoluten Höhepunkt. Stellenweise wirklich beigeisternde Instrumentalparts mit bombastischen Keyboard- und Gitarrenklängen, leicht komplexe Songstrukturen, daneben aber auch melodischer Wohlklang für die geplagten Ohren. Doch auf Dauer nervt mich einfach der Sänger, da mir sein Stil zu langweilig und wenig abwechslungsreich ist. Wenn dann aber wieder die Gitarre zuschlägt oder auf dem Keyboard virtuose Tastenläufe hervorgezaubert werden, vergesse ich dieses Manko recht schnell. Im Gesamtsound klingen Relayer mehr nach 80ern und sind nicht immer unbedingt amerikanisch-straight, sondern auch mal ruhiger und verspielter. Trotz stimmlicher Abstriche ein überdurchschnittliches Werk, was im großen und ganzen zu gefallen weiß.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 1995