CD Kritik Progressive Newsletter Nr.6 (12/1995)
Happy Familiy - Happy Family
(52:40, Cuneiform, 1995)
Hoppla! Selten so einen furiosen Beginn einer CD erlebt. Gleich beim ersten Lied "Rock & young" dröhnt einem ein total chaotisches Soundgewitter aus harten Gitarren und hektischen Keyboards entgegen. Da muss man sich wirklich erst mal dran gewöhnen. Doch schon bald schält sich eine Struktur heraus und der proggewohnte Hörer findet sich langsam im Dschungel dieser schrägen Mischung zurecht. Man hat das Gefühl, hier haben die Mannen um Keyboarder Kenichi Morimoto (den ich jetzt einfach mal als Chef der Combo bezeichne, da er die meisten Lieder geschrieben hat) Grunge und King Crimson gleichzeitig gehört und danach die Songs dieser CD komponiert. Ich muss wirklich sagen, dass einige Stücke auf dieser CD wirklich das Abgefahrenste sind, was ich bisher im Progbereich gehört habe (und das war einiges). Da wohl jeder, der den Familiennamen des Keyboarders gelesen hat, nun über das Herkunftsland desselbigen im Bilde ist, muss ich unbedingt noch darauf hinweisen, dass sich diese Gruppe auf keinen Fall wie eine typisch japanische anhört. Dass heißt, es ist kein Hochglanz-Bombast Prog mit Gesang, wo man nie weiß, ob es sich dabei um einen Mann oder um eine Frau handelt (oder beides in einer Person), also Entwarnung ist angesagt. Ganz im Gegenteil. Hier treffen sich Heavy Gitarre, dröhnender Bass und schräge Keyboards, die aber nie als Teppich eingesetzt werden. Gerade sie erzeugen oft den typischen Happy Family Stil, mit dem teils hektischen Tempo und den ausgefallenen Sounds, wie beispielsweise bei "Rolling the law court". Hier klingen sie wie die blubbernd-quäkende Ausdrucksweise irgendeines schleimigen Aliens bei Krieg der Sterne. Es gibt natürlich auch langsame Teile wie im 19-minütigen "Naked king", dass im Mittelteil schwerfällig und skandinavisch-düster daherkommt. Manchmal taucht eine Saxophon auf, das dann einen leicht jazzigen Touch vermittelt, was aber eher die Ausnahme ist. Um nun zum Fazit zu kommen, diese Musik ist wirklich nur Leuten zu empfehlen, die wirklich was einstecken können. Wer meint Anekdoten, Garden Wall oder Echolyn (übrigens mein Anwärter auf die CD des Jahres) kaufe er nicht, weil die zu abgefahren oder schräg seien, wird sich schon nach den ersten Minuten , nie in diese CD reingehört zu haben und sie mit Weihwasser austreiben. Ich habe mal in einer Kritik gelesen, dass man sich mit der "Brave" von Marillion in ein verdunkeltes Zimmer mit einem Joint in die Ecken sitzen soll. Davon abgesehen, dass man dabei wohl einschlafen würde, kann ich dieses Album all denen empfehlen, die genau dem anderen Naturell entsprechen. Kauft Euch die CD, installiert eine grelle, wirre Lichtorgel und zieht Euch dann diese CD unter wilden Ausflippen rein. Bei genau dieser kleinen Gruppe von Hörern kann dieses Album leicht Kultstatus erreichen.
El Supremo
© Progressive Newsletter 1995