CD Kritik Progressive Newsletter Nr.6 (12/1995)
Dogma - Twin sunrise
(53:51, PRW, 1995)
Bei dieser Band scheiden sich mal wieder die Gemüter. Während in der allgemeinen Kritik ihr Erstling "Album" eher ernüchternd beurteilt wurde, konnte ich mich recht gut mit dem melodischem, wenn auch auf Dauer etwas konzeptlos erscheinenden Instrumental Prog anfreunden. Nicht anders wird es Dogma wahrscheinlich mit ihrem neuen Album ergehen. Die vier Brasilianer brennen kein Feuerwerk an begeisternden Ideen ab, doch ihre Musik ist handwerklich überdurchschnittlich gut, jedes Instrument darf mal solistisch ran und die Kompositionen sind immer sehr melodisch. Das mag manchmal etwas zu seicht oder langweilig klingen, ist jedoch mit viel Gefühl für sanfte Töne gespielt, wobei auch rockigere Strukturen ihren Platz finden. So fehlen weder Flötentöne, noch hymnische Gitarrensoli, wie auch stimmungsvolle Bassparts. Um nicht instrumental völlig überladen zu wirken, hat man sich dieses mal Gastsänger engagiert. Zwar eine gute Absicht, aber "The search" wird dies als die Schwachstelle des Albums deutlich: englisch relativ akzentfrei gesungen, aber eben stimmlich nicht so überzeugend. Daneben ist der zweite Gesangstitel "The place" recht ordentlich, wenn auch keine Offenbarung. Genauso soll der Frauenchor bei "Hymn" atmosphärisch wirken, bloß bei mir stellt sich das Gefühl ein, dass mit dem Gesang dieser Sirenen hoffentlich schnell Schluss ist. Entschädigt wird man dafür mit anschließenden sinfonisch-rockigeren Gitarrenakkorden, die ziemlich schnell in leichtere Gefilde abweichen, um dann wieder in sehr schöne melodische Teile überzugehen. Überhaupt die Gitarre. Bei "The landing" wechselt sie geschickt zwischen akustisch und elektronisch, jedoch immer melodisch und bestimmend, untermalt von Klangteppichen des Keyboards. Beim Titeltrack dann eher das umgekehrte Bild: Keyboardmelodien eingerahmt von der Gitarre, getragen, aber sehr gefühlvoll gespielt, um am Schluss des Stückes mit reibendem Bass und beigeisternden Saitenkünsten etwas zu plötzlich zu enden. Wem also Musik mit einem hohen melodischen Anteil gefällt oder auch allgemein die brasilianische Variante des Prog Rocks zusagt, der könnte an dieser CD seine Freude haben. Mit reinem Neo Prog hat diese Musik jedoch nur wenig gemeinsam. Als Schlussurteil überwiegt jedoch bei mir die Meinung, dass das vielgescholtene Debüt mir insgesamt mehr zusagt, Dogma sich aber mit "Twin sunrise" weiterentwickelt haben und hoffentlich doch noch einige Interessenten finden werden.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1995