CD Kritik Progressive Newsletter Nr.69 (07/2010)

Raccomandata con Ricevuta di Ritorno - Il pittore volante
(60:35, BTF, 2010)

Die italienischen Crossover Progrocker RRR (la nuova Raccomandata con Ricevuta di Ritorno = das neue Einschreiben mit Rückschein) bringen unter Regie ihres Motors, Masterminds und Leadsängers Luciano Regoli nach sage und schreibe 38 Jahren ihre zweite Veröffentlichung heraus. Der auf der Insel Elba lebende, hauptberuflich als Künstler arbeitende Regoli), hat seit Auflösung von RRR 1973 weiterhin in verschiedensten Bands musiziert. So hat er unter anderem in den 70er Jahren bei der Progband Samadhi, von 1995 bis 2001 in der Prog Metal Band DGM und seit 1987 in der Hard Rock orientierten Regoli Band gesungen Auf dem aktuellen Output von RRR findet man neben Luciano Regoli von der ersten Veröffentlichung lediglich den Bassisten und Gitarristen Nanni Civitenga, der auf drei Tracks mitwirkt. Dafür hat er neben zahlreichen anderen ausgezeichneten italienischen Musikern auch zwei Freunde (Rockgitarrist Massimiliano Castellani und Session-Schlagzeuger Walter Martino) aus seiner Regoli Band für "Il Pittore Volante" gewinnen können. Neben den vereinzelt bereichernden Tönen von Saxophon, Violine und Flöte hört man ebenfalls die vorzügliche Stimme von Cristina Cioni, die außer einigen Backgroundgesängen vor allem auf dem Stück "Il Fuoco" mit Meister Regoli gekonnt und gefühlvoll den Leadgesang bereichert. Zusätzlich gibt es noch einige bekannte Gastmusiker wie Claudio Simonetti von Goblin, Lino Vairetti von Osanna und Supertramp-Gitarrist Carl Verheyen zu hören Die neun Kompositionen, allesamt von Luciano Regoli unter dem Arrangement von Maurizio Pariotti inszeniert, bieten eine abwechslungsreiche, raffinierte und unterhaltsame Progmusik, die vom Stil des frühen 70er Jahre Italo Prog beeinflusst ist. In einem sinfonischen Grundgerüst werden unterschiedlichste Musikstile wie Heavy Rock, Pop, Blues, Folk, Jazz, Klassik und auch etwas Avantgarde miteinander verwoben, sodass die Scheibe nach mehreren Hördurchläufen ihren Reiz verstärkt. Ein weiteres wesentliches Merkmal der 61minütigen Klangreise ist der ausdrucksstarke und stimmungsvolle italienische Gesang von Regoli, der mir auf dem Eröffnungstrack fast schon etwas zu dramatisch erscheint. Da Regoli aber sehr abwechslungsreich intoniert und unterschiedlichste Stimmungen ausdrücken kann, haben mich sein Gesang und sein angenehmes Timbre dann doch zügig in Bann gezogen. Die zu Beginn der Eröffnungsnummer gebotenen orientalischen Laute gleiten mit untermaltem Mundharmonikaspiel über in einen satten Groove mit pumpenden Bassläufen, der phasenweise mit shoutend dramatischen Gesangseinlagen garniert wird. Sowohl rockige Gitarrenläufe, flinke und gefühlvolle Keyboardbehandlung als auch lebendiges Schlagzeugspiel kennzeichnen das stimmungsvolle und variationsreiche Eröffnungsstück. Nach inzwischen zigfachen Hördurchläufen von "Il Pittore Volante" muss ich schon am Anfang der Scheibe immer wieder feststellen, welch ausgezeichnete Musiker hier zusammen spielen, die auch klangtechnisch über 60 Minuten ein "State of the Art" Werk geschaffen haben. Die vielfältigen musikalischen Stimmungen mit ihren Ausflügen in verschiedene Genrebereiche lassen bei mir aber niemals das Gefühl von holprigen Klangreigen oder Unstimmigkeit aufkommen. Irgendwie sind die Kompositionen geschickt strukturiert, sodass sogar schräge Phasen, klassische Pianoläufe oder jazzig-folkloristische Volksfestatmosphäre den Sinfonikprog unaufdringlich bereichern. Ob nun tragend-gefühlvoll, wie auf dem von mir sehr geliebten "Il Fuoco", neoprogressiv-hymnisch mit gilmouresker Gitarre wie auf "Eagle Mountain" oder ähnlich einer Theaterstückvertonung mit modern-schrägen Elementen wie auf "La Mente", die Hörlaune bleibt bei bester Stimmung. Trotz dieser Vielfältigkeit zeichnet die Veröffentlichung eine melodiebetonte Grundstimmung aus, die mit einigen balladesken Rhythmen und eruptiven Klangreigen eher im mittleren Tempobereich liegt. Abschließend bleibt für mich festzustellen, dass die vorliegende Scheibe bisher meine "Numero Uno" der Progveröffentlichungen des Jahres 2010 ist. Und Luciano Regoli würde ich sehr gerne einmal live erleben. Sein italienischer Gesang, seine Stimme treffen bei mir genau ins Schwarze. Übrigens ist das Werk neben der regulären CD in Mini-LP Design (die ersten 666 Kopien beinhalten eine originale Lithographie, die von Luciano Regoli signiert ist) auch in 180 Gramm Vinyl erhältlich (limitiert auf 300 Kopien) sowie in einer auf 66 Kopien limitierten, handgestalteten und signierten Box mit bunter Vinylscheibe, Mini-LP CD, einem Buch, einer DVD und einem Ölgemälde.

Wolfram Ehrhardt



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