CD Kritik Progressive Newsletter Nr.69 (07/2010)

Karnataka - The gathering light
(68:06, Privatpressung, 2010)

Karnataka habe ich über eine DVD-Veröffentlichung, die ich zu besprechen hatte, kennen gelernt. Dies ist nun schon ein paar Jahre her. Ich erinnere mich, dass ich ihre Musik recht schön fand, die Sängerin aber für meinen Geschmack eine ziemlich unsichere Figur abgab, so dass der Gesamteindruck ein wenig getrübt war. Als ich neulich ihr aktuelles Werk in die Hand bekam - ihr mittlerweile viertes Studioalbum - war ich angenehm überrascht. Was mir da aus den Boxen entgegenkam, wusste gleich rundweg zu überzeugen. Ihrem alten Stil sind sie weitgehend treu geblieben, das heißt ihre Musik ist eine Mischung aus symphonischem Prog und Folkanklängen. So weist gleich der Opener wunderbares Iona-Feeling auf, was gar nicht mal so erstaunlich ist, denn als Gast mischt hier der in der Szene bestens bekannte Troy Donockley am Dudelsack mit. Sphärisches, symphonisches Intro mit Folk-Touch - ein gelungener Start, mit dem die Band mich gleich für sich einzunehmen vermag. Auch danach geht es überzeugend weiter, wobei gerade Gitarrist Enrico Pinna mit leicht floydigen Gitarrensoli, die im Laufe des Albums gerne auch mal recht hymnenhaft daherkommen, die absoluten instrumentalen Highlights setzt. Die Keyboards kommen im Gesamtwerk zwar auch nicht zu kurz, werden aber insgesamt eher mannschaftsdienlich eingesetzt. Name und Gesicht des Keyboarders kamen mir irgendwie bekannt vor, und die Recherche ergab: Gonzalo Carrera hatte ich vor einigen Jahren mal im Spirit of 66 in Verviers gesehen. Damals spielte er noch in der (gar nicht mal schlechten) Yes-Tribute Band Fragile. Da muss er als Keyboarder ja schon mal über gewisse Grundfertigkeiten verfügen. Ihre Trumpfkarte spielen Karnataka aber erst nach etwa 10 Minuten aus, denn bis dahin waren sie ausschließlich instrumental unterwegs. Doch in "Your world" kommt erstmals die mir bis dahin völlig unbekannte Nachfolgerin von Rachel Cohen, nämlich Lisa Fury zum Einsatz. Und sie macht den entscheidenden Unterschied zu den Vorgängerwerken aus, denn sie weiß mich wirklich mit ihrer sehr angenehmen, souveränen Stimme zu überzeugen. Sie wäre sicherlich die perfekte Besetzung der Hauptrolle in einer Judie Tzuke Cover Band, so es diese denn gäbe. Und so fallen selbst Titel, die einen Hauch ins Poppige gehen, bei mir nicht durch den Rost. Neben Donockley sorgt mit Hugh McDowell (ELO) ein weiterer bekannter Gastmusiker am Cello für interessante Akzente. Außerdem verfeinert ein Streichquartett drei Titel dieser feinen CD. Mit diesem Album ist Karnataka ein Werk gelungen, das in der Tat größere Aufmerksamkeit verdient hat. Wer Iona, Clannad oder Mostly Autumn mag, der sollte dieses sehr schöne Album auf jeden Fall mal auf der Einkaufsliste vermerken.

Jürgen Meurer



© Progressive Newsletter 2010