CD Kritik Progressive Newsletter Nr.69 (07/2010)

Ahoora - Awkward diary
(41:34, Privatpressung, 2010)

Prog bzw. Rockmusik aus dem Iran gehört sicherlich noch immer zu den absoluten Exoten, auch in Anbetracht der Schwierigkeiten, mit denen man mit der Verbreitung von westlicher Musik im Heimatland zu kämpfen hat. Doch das Internet erlaubt mittlerweile andere Vertriebsmöglichkeiten, so dass man abseits der staatlichen Zensur seine künstlerische Freiheit ausleben kann. Bereits vor rund drei Jahren fanden Ahoora mit "All in blood with you" Berücksichtigung an dieser Stelle, einem Album, das noch deutlich vom Metal bzw. Prog Metal und den ursprünglichen Inspirationsquellen der Musiker geprägt war. "Awkward diary" ist in mehrerer Hinsicht eine totale musikalische Kehrtwendung. Harte Riffs bzw. dominante Gitarrenarbeit finden nur noch sehr, sehr vereinzelt statt, vielmehr haben elektronische Klänge, vielerlei Soundschnipsel und Keyboards das Zepter übernommen, fehlt es selbst nicht an jazzigen Momenten. Der Rhythmus kommt zwar aus der Steckdose, passt jedoch nun wesentlich besser zum allgemeinen Ansatz des iranischen Trios, der mittlerweile mehr im Art Rock / Pop zu finden ist. Heimatliche Anklänge sind an nahezu komplett verschwunden, einzig einige sehr, sehr wenige Keyboardschnörkel deuten landestypischen Ursprung an. Waren es früher Bands wie Iron Maiden oder Iced Earth, von denen man sich inspirieren ließ, so klingt es heutzutage mehr nach Muse, 80er Jahre King Crimson oder David Bowie, nach wavigem Art Rock britischer Prägung, als dass der metallische Hammer kreist. Dabei verzichten Ahoora auf zu überladene Ansätze, die Songs bewegen sich allesamt im 3-4 minütigen Bereich, setzen vor allem auf stimmungsvolle, experimentelle Klangreisen mit Ethno Flair. Dabei bleiben sie jedoch allesamt einigermaßen gut verdaubar, auch wenn eine gewisse kompositorische Kratzbürstigkeit nicht von der Hand zu weisen ist. Wohl dosierte Härteanfälle am Saitenbrett sorgen zudem für ordentliche Power. Auch ohne Exotenbonus ist "Awkward diary" ein durchaus interessantes und recht abwechslungsreiches Album, das sich keineswegs vor der internationalen Konkurrenz zu verstecken braucht. Einfach mal auf der Homepage der Band vorbeisurfen und selbst reingehört.

Kristian Selm



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