CD Kritik Progressive Newsletter Nr.69 (07/2010)
Bushman's Revenge - Jitterbug
(53:35, Rune Grammofon, 2010)
Lässig und entspannt, aber mit schwerem Druck und dem selbstbewussten Wissen, wie sich der Beinahe-Zehnminüter in der Folge entwickeln wird, beginnen Bushman's Revenge den Opener "always in motion the future is" ihres zweiten Albums "Jitterbug", just frisch im Juni 2010 der geneigten Hörerschaft zum reinen Vergnügen dargebracht. Und Even Helte Hermansen (g), der alle neuen Songs bis auf zwei schrieb, Rune Nergaard (b) und Gard Nilssen (dr), der einen Song schrieb, ("Damage Case" als vorvorletztes Stück ist die 'happy go lucky karaoke version' der Krawallgebrüder Motörhead) samt Gast Ståle Storløkken (hammond) in zwei Tracks lassen es gewaltig krachen. Die Hendrix'sche Avantgarde-Maschine fährt bis in gleißende Höhen auf und vollbringt das vollkommene Chaos in ergebenstem und nicht zuletzt überaus tosendem Krach, doch es bleibt eine gute Ahnung von Struktur, zumindest, wenn das tonale Gebirge neugierige und solcherlei gewohnte Hörer nicht verjagt, sondern zur Unterhaltung anzieht. Brachiale Chaosorgien finden auf "Jitterbug" weniger als auf dem 2009er Debütalbum "You lost me a hello" statt, genug jedoch, zum Fürchten geruhende Beben zu verursachen und Freunde ausgefallener Heavy-Jazz-Rock-Attacken illuster zu erfrischen. Neben Hendrix dürften 'Red'-King Crimson Pate gestanden haben, was Schalltiefe der Intensität und kompositorische Kompromisslosigkeit betrifft, zudem die üblichen Verdächtigen für Ausgefallenes neben allem Ausgefallenen: John Coltrane, Albert Ayler, weniger FZ, weniger Mahavishnu, aber gewiss auch. Im Lande rune grammofon sind zuletzt einige Bands ob krasser Musikkunst aufgefallen: Elephant9, Scorch Trio, Supersilent, In The Country, Spunk, Fire! - und alle diese wie Bushman's Revenge sind exzellente Kapellen mit Musiksinn auf dem rechten Fleck - da werden progressive Vorstellungskanäle gesprengt, avantgardistische Atonalattacken inszeniert, lockere Jam-Syndikate belebt, drahtiger Rock knochentrocken und würzig (bis zum glücksbesoffenen Luftgitarrerocken beim magisch gebannt zuhörenden Mitarbeiten) gespielt, handwerklich allerliebst geerdet und mit dem Free Form Blick im Blut, der in Kopplung mit Inspiration und Idee zukunftsoffene Klänge zaubert, die eingefahrene Gleise schleifen und Energie in neue Offenheit schleudern, dass es eine einzige und notwendige Freude ist, dem Sound mit Lust und Hingabe partout und offener Sinne zu lauschen. "Jitterbug" birgt kernige Struktur und weiß um seine ambienten Eigenschaften, die es pflegt und umschwärmt, damit aus diesen kraftvoller Attackenrock fließen kann, der neue und wieder brachiale Dynamik kreiert, in steter Selbsterneuerung und skandinavischer Düstersphärik. Musik hat kein Ende.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2010