CD Kritik Progressive Newsletter Nr.68 (03/2010)

Slivovitz - Hubris
(70:51, Moonjune Records, 2009)

"Hubris" bedeutet "Hybris" oder Selbstüberschätzung. Sein Album so zu nennen, zeugt entweder von Humor oder von Selbstbewusstsein. Fängt rotzig an, jazzig und instabil, unsicher, als wisse die Band nicht, wohin die Reise gehen, was sie spielen, wie sie sich orientieren soll, wird weltmusikalisch, fängt afrikanisches Folkloreflair ein und entwickelt sich peu á peu zu vielseitigem Jazz Rock, der sich neben den weltmusikalischen Einflüssen, die im Laufe des Albums nachlassen, aus Progressive Rock und dem exzellenten lautmalerischen Gesang von Ludovica Manzos speist. Die progressiven Anteile sind erst schwerfällig, setzen sich erst im späteren Teil des zweiten Songs durch, um dann aber immer wiederzukehren. Es gibt viel nettes 70s Flair, Funk und komplexe Partien, mal mit groovigem, mal vertracktem Rhythmus. Ludovicas lautmalerischer Gesang (neben dem sonstigen Textgesang) ist außerordentlich gut, zeigt Nähe zu Fulano, Mediabanda und Arlette Jequier und gibt dem Album sehr viel Elan, Lebendigkeit und Schöngeistigkeit. "Mangiare" wartet mit sehr schönem Vibraphone auf, das der jazzig-freakigen Rocknummer den letzten Kick gibt. Als verbände sich 50s Blue Note Jazz mit Früh Siebziger Jazz Rock. Sehr intensiv! Nach dem World-Jazz-Beginn, dem sich freitonaler Avantjazz und Folkmotive anschlossen, rockt die Band schließlich immer heftiger, Saxophon- und Gitarrensoli krönen die vitalen Songs. Nicht immer ist die Band dabei so begabt, wie die Creme de la Creme der Jazz Rock-Szene. Aber Slivovitz haben Idee und Witz und wissen das kreativ auszuleben. Nicht allein "Errore di parallasse" holt zu einem erstklassigen Solo der elektrischen Violine aus, immer wieder gibt es hinreißende Soli des Instrumentes zu hören, ebenso baut sich die Geige perfetto in das Bandgefüge ein und gibt Gitarre, Keyboards und Saxophon im fetten Bandsound gut Contra. "Sono tranquillo eppure spesso strillo" - kurz "Stress" genannt, ist eine hektische Jazz-Funk Nummer, die nach zwei eher lauen Stücken die Energie auf hohen Level fährt und enorm nerven kann! Die letzten drei Songs, zwei davon über 8 Minuten lang, sind das Beste, was die Platte zu bieten hat. Plötzlich reißen Slivovitz sich zusammen und spielen exzellent intensive Songs, wie Mats / Morgan und Fulano sie basteln. Der letzte Song "Tilde" wird nach und nach immer leiser, Mundharmonika, Saxophon und Keyboards unisono bauen das Thema aus, auf dem die Gitarre entspannte Klänge laufen lässt. Es bleibt bis zum Ende intensiv und spannend, virtuos in aller Lässigkeit und Versunkenheit. Fabelhaft. "Hubris" zeigt Slivovitz als begabte Band mit Inspiration, die noch auf der Suche nach guten kompositorischen Ideen ist, dabei aber schon einige Perlen entdeckt hat. Die weniger guten Songs und der weltmusikalische Anfang sind kein Makel, wirken jedoch längst nicht so stark wie die Höhepunkte der Platte.

Volkmar Mantei



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